von Stefan Meißner
Samuel salbt David zum König
Literatur
Walter
Dietrich: Biblische Enzyklopädie, 12 Bde., Bd.3, Die frühe Königszeit in Israel:
10. Jahrhundert v. Chr: Bd. 3
H.J. Boecker: Die Anfänge des Königtums, Altes Testament, Neukirchener
Arbeitsbücher, §4
H.
Donner: Geschichte Israels und seiner Nachbarn in Grundzügen, 2 Bde.
2. Aufl. Göttingen 1995
- Bd.1: Von den Anfängen bis zur Staatenbildungszeit
Im Vergleich zu den Nachbarvölkern ist es in Israel erst relativ spät zur Monarchie gekommen. Es gab Israel vor der Staatsgründung und auch nach Ende der Eigenstaatlichkeit hörte Israel nicht auf zu existieren. Auch später hat sich Israel nie die altorientalische Königsideologie ganz zu eigen gemacht, die den König als Repräsentanten Gottes ansieht. So verwundert es nicht, dass es im AT konkurrierende Traditionen über die Entstehung des Königtums gibt. Daran hat/haben auch die dtr Redaktion(en) nichts geändert.
Literatur
Ansgar Moenikes: Die grundsätzliche Ablehnung des Königtums in der
Hebräischen Bibel. Ein Beitrag zur Religionsgeschichte des Alten Israel,
Bodenheim 1998
Im DtrG gibt es eine Reihe von Texten, die eine große Reservietheit gegenüber dem Königtum bezeugen. Was waren die Gründe für diese Zurückhaltung?
In Ri 8,22f. wird Gideon aufgefordert, über Israel (als König?) zu herrschen. Dieser aber lehnt das Ansinnen des Volkes ab – aus einem bemerkenswerten Grund: Israel hat bereits Gott als König. Hier tritt das theokratische Ideal der vorstaatlichen Zeit in Erscheinung, das auch später das Königtum eher mit Reserve gegenüber betrachtete.
Kurz darauf mündet der Bericht über das kurze Königtum Abimelechs in Sichem in die königskritische Jothamfabel (Ri 9,7-14). Alle geeigneten Pflanzen lehnen es ab, König der Bäume zu werden, nur der dazu völlig untaugliche Dornbusch nimmt das Amt an. Hier klingt also an, dass es nicht immer die geeignetsten Personen waren, die Israel als König regierten.
Ebenfalls aufschlussreich ist 1
Sam 8,4-8, wo das Volk vom Seher Samuel einen König begehrt.
Als Gründe für diese Forderung werden genannt:
Die Unzufriedenheit
mit den Söhnen Samuels, die nach dessen Nachfolge antreten würden
(8,4+5a), ferner
das Vorbild der benachbarten
Völker (5b).
Samuel hat Bedenken gegen einen König. Sie speisen sich aus:
dem theokratischen
Ideal Israels (8,7; siehe oben!)
Außerdem warnt
er, das Königtum bringe Götzendienst mit sich (aus anderen Texten
geht hervor: durch die Frauen des königlichen Harems) (8,8). Eine Warnung,
die sich später durch die ausländischen Frauen Salomos als zutreffend
erweisen wird.
Weitere, nämlich soziale Argumente gegen das Königtum liefert das sich unmittelbar anschließende Königsgesetz (8,9ff.). Es geht von schlechten Erfahrungen aus, die Israel später mit dem Königtum machte. Dieser Text ist nach Ansicht der meisten Ausleger unmittelbar vom deuteronomischen Königsgesetz abhängig (Dtn 17,14-20).
Diesen königskritischen Texten steht eine Anzahl von Texten gegenüber, die das Königtum begrüßten bzw. die vorstaatliche Zeit als königslose, anarchische Zeit darstellt, in der jeder tat, was ihm recht dünkte. Zu dieser Gruppe kann man Ri 17-21 (bes. 17,6; 21,25) zählen, von dem man vermutet hat, dass es sich hier um eine Tendenzschrift aus der frühen Königszeit darstellt.
In der Heldensage 1 Sam 9,1-10,16 sucht Saul ein entlaufenes Eselfüllen seines Vaters und findet dabei den Gottesmann Samuel, der ihn Salbung zum König salbt. Nach dieser Designierung ist dieser noch nicht im Amt, sondern agiert noch eine Zeit lang als König im Verborgenen. Die anschließende Akklamation Sauls durch das Volk nach dessen Sieg in Jabesch (1 Sam 11) gleicht der Berufung eines charismatischen Heerführers nach dem Schema des Richterbuches (vgl. 1 Sam 11,6: Der Geist Gottes kommt über Saul).
Entscheidend für den Wunsch nach einem König war offensichtlich die permanente Bedrohung durch die Nachbarvölker, bes. die Philister, die in Palästina ein Eisenmonopol durchsetzten konnten (1 Sam 13,20-22), was ihre starke Stellung dokumentiert.
Literatur
Georg Hentschel: Saul. Schuld, Reue und Tragik eines Gesalbten, Leipzig 2003
H.
Donner: Geschichte Israels und seiner Nachbarn in Grundzügen, 2 Bde.
2. Aufl. Göttingen 1995
- Bd.1: Von den Anfängen bis zur Staatenbildungszeit
Saul, der Sohn Kischs, stammt aus dem Stamm Benjamin. In seiner Heimatstadt
Gibea hat man eine kleine Königsburg ausgegraben, die die Erzählungen
des 1. Samuel-Buches zu bestätigen scheinen.
Sauls große Leistung besteht darin, dass er den Heerbann der wehrfähigen
Israeliten durch eine ständige Berufsarmee ergänzt hat. Das ermöglichte
die Siege über Moab, Ammon, Edom, Aram, Amalek u. zwei aramäische
Stadtstaaten (1
Sam 14,47f.).
Es ist nicht erkennbar, dass Saul irgendwelche innenpolitische Funktionen ausgeübt
hätte. Ursprünglich erstreckte sich seine Herrschaft, die nur 2 Jahre
dauerte (1
Sam 13,1), wohl nicht über alle israelitischen Stamme, sondern beschränkte
sich vielleicht auf Benjamin (u. Ephraim). Juda gehörte mit großer
Sicherheit nicht zu seinem Einflussgebiet.
Sauls Königtum ist Heerkönigtum, das nur in Krisenzeiten aktualisiert
wird. Saul herrscht über ein Volk, aber nicht über ein genau abgrenzbares
Territorium.
Sauls Königtum leidet unter einem inneren Widerspruch, das seinen Übergangscharakter
zeigt: Die Geistbegabung Sauls, die schon bei den Richtern Grundalge der Machtausübung
war, ist hier nun auf Dauer angelegt. „Permanentes Charismatikertum“
nennt A.H.J. Gunneweg (Geschichte Israels, 56) diese Herrschaftsform, H.
Donner: Geschichte Israels und seiner Nachbarn in Grundzügen, Bd. 1,
S. 203) spricht von „Charismatikertum auf Lebenszeit“.
In
1 Sam 16,14ff. ist von einem „bösen Geist“ Sauls die Rede.
Damit sind offensichtlich psychische Störungen gemeint, die sich in Form
von Angst, aber auch als Wutausbrüche äußern konnten.
Sauls tragisches Scheitern wird damit begründet, dass er nicht, wie von
Gott geboten, den „Bann“ vollstreckte, d.h. die in der Schlacht
erbeuteten Tiere tötete. Hier zeigt sich ein tiefer Konflikt des neu geschaffenen
Königtums mit den sakralen Traditionen Israels.
Umstritten ist, ob es bereits Ansätze zur Dynastiebildung gab: Dass Isch-Boschet
(2
Sam 2) nach Sauls Tod als dessen Nachfolger (ebenfalls 2 Jahre!) eingesetzt
wird, legt eine positive Antwort nahe.
Die Geschichte vom Niedergang des Königtums Sauls ist verwoben in die Berichte vom Aufstieg Davids. Sie reichen von 1 Sam 16,14 bis 2 Sam 5,10 und zeichnen den jungen König in den hellsten Farben, weshalb man oft von einer Propagandaschrift gesprochen hat.
Großen Anteil am Aufstieg Davids (und bereits Sauls) hatte offensichtlich der in Ramathaim geborene Samuel: Der Mann, der von seinen Eltern in einem Gelübde (Nasiräat) Gott geweiht worden war und später v.a. in Schilo wirkte, war eine schillernde Figur des Übergangs: Er wirkte als Priester (z.B. 1Sam 7,9f., wird freilich nie so genannt!), als Richter (1 Sam 7,6.15), Seher und Prophetenhaupt (etwa 1 Sam 3.20). Gegen seinen erklärten Willen wurde er zum Initiator des Königtums in Israel.
Bildernachweis
Samuel: http://upload.wikimedia.org/
(public domain): Mansicript 13.Jhd., Musée Condé, Chantilly