von Stefan Meißner
Michelangelo:Sixtinische Kapelle: Jeremias
Literatur
Klaus
Koch: Die Profeten I: Assyrische Zeit: BD 1,
Verlag W. Kohlhammer, 3. Auflage, Stuttgart, Berlin Köln 1995.
Klaus
Koch: Die Profeten II: Babylonisch-persische Zeit: BD 2,
W. Kohlhammer, 2. Auflage, Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1988
R.G.
Kratz: Die Propheten Israels,
Beck, München 2003
Matthias Köckert, Martti Nissinen (Hg.): Propheten in Mari, Assyrien und
Israel, Göttingen 2003
H.J. Boecker u.a.: Altes Testament, Neukirchener Arbeitsbuch, § 9
Das Phänomen „Prophetie“ ist auch in der altorientalischen Umwelt bekannt, so etwa in Mari (am mittleren Euphrat, 17. Jhd. v.Chr.). Auch dort empfangen Gottesmänner das Wort Gottes im Traum oder in Visionen und werden so zu seinem Boten beauftragt. Vermittelt über die Kanaanäer könnte das Phänomen zu Beginn der Königszeit nach Israel eingewandert sein.
Externe Links
Textbeispiele altorientalischer Prophetie (zusammengestellt von Thomas Staubli):
http://www.unifr.ch/bif/staubli/061prophetie_ao_texte.pdf
Artikel von Abraham Malamat, A Forerunner of Biblical Prophecy: The Mari Documents
(1987):
http://prophetess.lstc.edu/~rklein/Documents/malamat.htm
Häufigster hebräischer Begriff für „Prophet“ ist
„nabi“. Der Wortstamm ist bereits im 23. Jhd. v.Chr. im syrischen
Ebla belegt. Die frühen Schriftpropheten meiden ihn jedoch für die
eigene Person, evt. wegen seiner Verbindung mit dem Königshof u./o. einem
Heiligtum. Überhaupt lässt sich im AT ein spannungsvolles Gegenüber
von Kult- bzw. Berufspropheten auf der einen und unabhängigen Einzelgestalten
auf der anderen Seite feststellen. Während erstere auf ihr „Amt“
pochen, setzen letztere auf ihr „Charisma“ (vgl.
Am 7,10-17, bes.14!).
Daneben gibt es im Bereich der Prophetie noch die Begriffe „Gottesmann“
(„isch ha-elohim“), „Schauer“ (hosäh), „Seher“
(ro´äh) und Wahrsager“ (qosem).
Zwei Ströme treffen in der altisraelitischen Prophetie zusammen (vgl. R. Heiligenthal, Einführung in das Studium der evangelischen Theologie): Die ekstatische Gruppenprophetie kanaanäischer Herkunft, die aus dem Kulturland stammt (vgl. 1 Sam 10,10-12) und der einzelne Seher nomadischer Herkunft. Diese Variante gilt als genuin israelitisch (vgl. 1 Sam 9,8-11).
In der frühen Königszeit (= nevi`im rišonim) etablieren sich
Königtum und Prophetie in Israel parallel. Beide Institutionen sind eng
aufeinander bezogen, wobei der Prophet den König einerseits legitimiert,
aber auch im Falle der Selbstüberschätzung oder des Machtmissbrauchs
kritisiert:
· Samuel salbt Saul zum König (1 Sam 9), verwirft ihn aber nach
einem Rechtsbruch wieder (1
Sam 15) u. salbt seinen Nachfolger (1
Sam 16).
· Nathan verheißt David eine dauerhafte Dynastie (2
Sam 7) und weist ihn aber zugleich in die Grenzen des Gottesrechtes (2
Sam 12)
Das Wort „Schriftpropheten“ ist missverständlich, denn sie selbst haben keine Prophetenbücher verfasst, sondern erst ihre Schüler. Das wird deutlich am Beispel des Buches Jeremia, das offensichtlich von einem Schreiber Namens Baruch (wenigstens teilweise) aufgeschrieben worden ist:
„Im vierten Jahr Jojakims, des Sohnes Josias, des Königs von Juda, geschah dies Wort zu Jeremia vom HERRN: Nimm eine Schriftrolle und schreibe darauf alle Worte, die ich zu dir geredet habe über Israel, über Juda und alle Völker von der Zeit an, da ich zu dir geredet habe, nämlich von der Zeit Josias an bis auf diesen Tag. Vielleicht wird das Haus Juda, wenn sie hören von all dem Unheil, das ich ihnen zu tun gedenke, sich bekehren, ein jeder von seinem bösen Wege, damit ich ihnen ihre Schuld und Sünde vergeben kann. Da rief Jeremia Baruch, den Sohn Nerijas. Und Baruch schrieb auf eine Schriftrolle alle Worte des HERRN, die er zu Jeremia geredet hatte, wie Jeremia sie ihm sagte.“ (Jer 36,1-3) |
Es gibt in der christlichen Bibel vier große Propheten, nämlich Jes, Jer, Ez und Dan. Letzterer gehört im hebräischen Bibelkanon zu den „Schriften“ (ketubim), weshalb man dort nur drei große Propheten hat. Davon sind die sog. „kleinen Propheten“ zu unterscheiden, die in der hebräischen Bibel ein Buch darstellen, das in der Forschung Dodekapropheton genannt wird. Anders als die älteren Propheten, deren Gegenüber der König ist, wenden sich die Schriftpropheten meist an das Volk.
Formgeschichtlich unterscheidet man zwischen Fremdberichten in der 3. Pers. Sg. (auch „Prophetenerzählungen“, z.B. Zeichenhandlungen) und Eigenberichten in der 1. Pers. Sg., in denen der Prophet selbst zu Wort kommt (z.B. Visionen).
Die wichtigsten Gattungen prophetischer Rede lassen sich bereits
bei Nathan studieren (2
Sam 12,7-20)
Botenformel: „So
hat der Herr gesprochen“; aus der Diplomatensprache (vgl. 1
Kön 20,3), keine priesterliche Gattung!
Lagehinweis/Scheltwort/Anklage:
schimpfliches gegenwärtiges Handeln von Menschen, oft im Kontrast zu früherem
göttlichen Heilshandeln; meist als Begründung des folgenden:
Weissagung/Drohwort/Gerichtsankündigung:
göttliche Gegenaktion, die die Gegenwart in Frage stellt (Strafe).
Arbeitshinweis
Das gleiche formgeschichtliche Schema liegt auch Am
7,16f. zugrunde. Sind Sie in der Lage die genannten Elemente von einender
abzutrennen? (andere Bsp.: 1
Kön 21,17-19; 2
Kön 1,3-4) Die Reihenfolge der Elemente ist variabel oft werden sie
durch Leitwörter (hier: Haus, Schwert, Frau, genommen/nehmen) miteinander
verbunden. Logisch verknüpft sind beide durch den „Tun-Ergehen-Zusammenhang“:
Das Tun des Menschen zieht unausweichlich ein entsprechendes göttliches
Handeln nach sich. Nicht, daß die göttl. Strafe der menschl. Sünde
folgt. Vielmehr bilden beide eine einzige „schicksalswirkende Tatsfäre“
(K. Koch).
Typisch auch, dass der Prophetenspruch dem Formprinzip hebräischer Poesie,
dem parallelismus membrorum folgt:
synthetischer P.:
hinzufügend, weiterführend (Ps 27,1; Ps 23,1)
synonymer P.: wiederholend,
alternierend (Ps 6,2; Ps 1,2)
antithetischer P.:
entgegensetzend, kontrastierend (Ps 1,6; 96,5)
Eine der großen Streitfragen der Prophetenforschung lautet: Haben die vorexilischen Schriftpropheten bedingungslos den Untergang Israels angekündigt oder lässt ihre Verkündigung Raum für Umkehr? Vertritt man die erstere Meinung, muss man einzelne positive Äußerungen als spätere Hinzufügungen ausscheiden. Sicher ist, dass die Gerichtspredigt vor dem babylonischen Exil zumindest dominiert, während danach ein eher tröstender, verheißender Ton vorherrscht.
Themen prophetischer Verkündigung vor dem Exil sind v.a.:
Kultkritik: Sie ist
meist gegen kanaanäische Einflüsse gerichtet. Oft ist unklar, wie
grundsätzlich diese Kritik gemeint ist. Slogans wie „Recht statt
Opfer“ oder „Ethos statt Kultus“ zielen aber wohl weniger
auf eine Abschaffung des Kultus als auf dessen Einbettung in ein entsprechendes
Ethos.
Sozialkritik: Sie
ist gerichtet gegen die Rechtsbeugung der Reichen und Mächtigen zuungusten
der Armen und Ausgestoßenen.
Nach dem Exil wird auf das Gericht zurückgeblickt als gerechte Strafe Gottes („Gerichtsdoxologie“). Der Blick in die Zukunft wird zunehmend hoffnungsvoll. Er richtet sich zunächst auf ganz konkrete politische und soziale Veränderungen (Rückkehr aus dem Exil, Wiederaufbau des Landes u. der Gemeinde), schweift dann aber (vielleicht angesichts der schwierigen Gegenwart) in die immer weitere Zukunft („Tag des Herrn“; Eschatologisierung). In dieser Atmosphäre liegt auch die Geburtsstunde der => Messiaserwartung
Literatur
A. Scherer: Vom Sinn prophetischer Gerichtsverkündigung bei Amos und Hosea,
Biblica 86 (2005) 1-19 (=http://www.bsw.org/?l=71861&a=Comm01.html)
Externe Links
Unterrichtseinheit zu den Propheten im Alten Testament (Günther Neumann),
Klasse 5–7:
http://www.lehrer-online.de/url/propheten
Bildernachweis
http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Michelangelo_Buonarroti_027.jpg&filetimestamp=20070708121409