Pirmasenser Sonderweg oder die Kunst, unbequeme Themen zu umgehen

von Frank Eschrich

Seit vielen Jahren engagieren sich die Pirmasenser Zivilgesellschaft, der Arbeitskreis Geschichte der Juden, die Kirchen, verschiedene politische Parteien und allen voran Otmar Weber um ein würdevolles Gedenken für die Opfer des Holocaust in Pirmasens. Die Anfänge dieser Diskussion reichen bis in die 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts zurück. Neben einem zentralen Denkmal und spezifischen ortsgebundenen Gedenktafeln waren auch Stolpersteine seit langem Gegenstand der öffentlichen Debatte. Im Jahr 2006 wurde die Verlegung von Stolpersteinen von der Ratsfraktion der Grünen beantragt, zur weiteren Beratung in den Hauptausschuss verwiesen und dann vergessen.

Zwischen 2008 und heute fanden zahlreiche Gespräche zwischen der Pirmasenser Stadtverwaltung und engagierten Bürgerinnen und Bürgern über mögliche Gedenkformen statt. Daraus folgten allerdings keine konkreten Schritte, irgend eine der diskutierten Gedenkformen auch praktisch umzusetzen. Erst als die Lokalpresse Ende 2012 die Stadtverwaltung daran erinnerte, dass bereits im Jahr 2008 ein zentrales Denkmal für die jüdischen Opfer vom Stadtrat beschlossen worden war, wurde eine öffentliche Diskussion um das Gedenken neu entfacht.
An einem Zitat von Gunter Demnig, wiedergegeben in einem Kommentar der „Rheinpfalz“, entzündete sich der Zorn der Pirmasenser CDU. Der Kommentator hatte bemängelt, dass eine einmal jährlich besuchte „Kranzabwurfstelle“ gegenüber der ehemaligen Pirmasenser Synagoge nicht ausreiche, um der historischen Verantwortung und einem würdevollen Gedenken der Holocaust Opfer gerecht zu werden. Gleichzeitig wurde die Verlegung von Stolpersteinen befürwortet.
Offenbar peinlich berührt, kündigte die Pirmasenser Fraktionsvorsitzende der CDU, Brigitte Linse, in der Ratssitzung vom Dezember 2012 eine Entscheidung für ein zentrales Denkmal und gegen Stolpersteine für den Januar 2013 an.

Nach jahrelangem Zaudern und Zögern sollte nun die Verlegung von Stolpersteinen endgültig von der politischen Agenda verschwinden. Die wahren Motive bleiben im Unklaren. Zueigen machten sich CDU und freie Wähler insbesondere die Argumentation von Charlotte Knobloch, Stolpersteine würden dazu einladen, auf dem Andenken der Opfer „herum zu trampeln“. Auch der sachliche Hinweis, kein öffentlich zugängliches Denkmal gleich welcher Form sei vor Vandalismus, Zerstörung oder Beschmutzung des Andenkens sicher, konnte die konservativen Ratsmitglieder von ihrer zementierten Meinung abbringen. Dabei baute die Ratsminderheit am 28. Januar zahlreiche „goldene Brücken“, um der CDU Fraktion ein Einlenken zu erleichtern. Schon fast gebetsmühlenartig erfolgte der Hinweis, dass die Entscheidung für eine zentrale Gedenkform nicht zwangsläufig mit einem Verbot von Stolpersteinen einhergehen müsse und man es doch Andersdenkenden nicht verwehren könne, auch mit Stolpersteinen den Pirmasenser Holocaust Opfern zu gedenken. Zumal der Stadt Pirmasens daraus keinerlei Kosten entstünden.

CDU und Freie Wähler blieben jedoch bei ihrem „Pirmasenser Weg“ eines zentralen Denkmals und ihrem kategorischen „Nein“ zu Stolpersteinen. Als sich eine Abstimmungsniederlage für den CDU Antrags bei Stimmengleichheit andeutete, stimmte Oberbürgermeister Matheis als Verwaltungschef bei der Wiederholung der Abstimmung für den Antrag und gab somit den Ausschlag.
Auch die phantasievoll ins Blaue hinein angekündigten Vorteile eines „interaktiven Denkmals“ und eines eigenständigen „Pirmasenser Weges“ im Gedenken können nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich bei diesem Weg vor allem um eines handelt: Die Kunst, ein unbequemes Thema auf absehbare Zeit erneut zu umgehen.

Der Arbeitskreis Geschichte der Juden in Pirmasens und weitere Beteiligte werden jedoch nicht locker lassen und sich weiterhin für die Verlegung von Stolpersteinen einsetzen. Sie haben einen entscheidenden Vorteil. Sind sie erst einmal gelegt, wird es schwer, ihnen und damit der historischen Verantwortung aus dem Weg zu gehen.

Der Autor ist Mitglied im Arbeitskreis Geschichte der Juden in Pirmasens und Vorsitzender der Ratsfraktion DIE LINKE in Pirmasens