Der "Aufbau" - eine deutsch-jüdische Stimme aus New York

Von Nicole May

"Die Chance, mit Jettel in Ruhe über Deutschland zu sprechen, kam nicht mehr wieder. Der Aufbau ließ es nicht zu. Sechs Wochen nach Erscheinen der Anzeige traf der erste von vielen Briefen ein, die so viel Vergangenheit beschworen...". So beschreibt Stefanie Zweig in ihrem Roman "Nirgendwo in Afrika" die Bedeutung des "Aufbau", einer deutschsprachigen jüdischen Zeitung aus New York, für ihre Romanfiguren. Jettel und Walter sind Flüchtlinge aus reslau, ihre Fluchtstätte ist Nairobi, in der sie sehnsüchtig auf Zeichen von Überlebenden warten. Der "Aufbau" entwickelte sich nach Ende des Krieges vor allem als Suchplatz für die weltweit verstreuten Überlebenden des Holocaust. Obwohl die Auflage nie mehr als 50.000 Exemplare überstieg, lasen doch 300.000 Menschen in 45 Ländern jeweils die Ausgaben der Wochenzeitung, die heute nunmehr 14-tägig erscheint.

Obwohl sich die Funktion der deutschsprachigen Zeitung im Schmelztiegel New York im Laufe der Jahre gewandelt hat, ist die Rubrik "Gesucht wird..." nach wie vor aktuell. Zwar sind es heute nicht mehr nur die Überlebenden, die nach Angehörigen oder Freunden suchen, sondern ihre Nachfahren oder Wissenschaftler. Doch nicht immer sind die Anzeigen von Erfolg gekrönt. "Leider war das Inserat im ‚Aufbau' bisher nicht erfolgreich", berichtet Klaus Falldorf aus Bremen, der seinen Großcousin sucht.

Gegründet wurde der "Aufbau" in New York 1934 von Exildeutschen. Sie verloren mit der Herrschaft der Nazis nicht nur ihre Heimat, sondern vor allem die Muttersprache. Die Zeitung bedeutete für Journalisten und Schriftsteller eine neue sprachliche Heimat, für ihre Leser war sie in den Anfangsjahren Helfer. Den meisten jüdischen und politischen Emigranten fiel das Einleben in der neuen Welt schwer. In der Redaktion arbeiteten Juden wie Christen: Albert Einstein, Thomas Mann, Lion Feuchtwanger und Franz Werfel, Politiker wie Nahum Goldmann oder Rabbiner wie Max Nussbaum.

Als "Nachrichtenblatt des German-Jewish Club New York" startete "Aufbau" im Dezember und wurde erst zwei Jahre später vom Vereinsblatt zu einer Zeitung mit Abogebühren ausgebaut. Der deutsch-jüdische Club, der sich zwischenzeitlich umbenannte in "New World Club", blieb Verleger - bis heute. Amerikas Eintritt in den Zweiten Weltkrieg veränderte auch die inhaltliche Ausrichtung des "Aufbau", später, bei den Nürnberger Prozessen, halfen die Redakteure, bei der Recherche nach Beweisen.

Heute wollen die fünf Redakteure, die auf 3,5 Stellen in der New Yorker Redaktion arbeiten, zwar immer noch für die Generation der Immigranten da sein, aber auch über das jüdische Leben in den USA und in Deutschland berichten. Außerdem stehen deutsche Politik und das Beziehungsdreieck Israel - USA - Deutschland im Fokus. Gelesen wird der "Aufbau" mit einer Auflage von 10.000 Stück in 20 Ländern. Unterstützung erhalten die Journalisten von Praktikanten aus Deutschland.

Vier Seiten erscheinen bereits in englischer Sprache, um auch der Nachfolgegeneration der Immigranten einen Zugang zum jüdischen Leben außerhalb der "neuen Welt" zu vermitteln. Vielen der jungen Leser fehlt der Bezug zur deutschen Sprache. "Wir überlegen deshalb, ob wir den Anteil der englischsprachigen Seiten noch erhöhen wollen", sagt der Schweizer Chefredakteur Lorenz Wolffers. Um den "Aufbau" auch in Deutschland interessanter zu machen, soll noch in diesem Jahr eine Ein-Mann-Redaktion in Berlin eröffnet werden, so Wolffers gegenüber der RHEINPFALZ.
Trotz schwindender Auflage sieht Wolffers den "Aufbau" als "einen einzigartigen Versuch, Generationen, Religionen, Kulturen, Sprachen, Kontinente und Lebensanschauungen zu überbrücken. Hier hat die Zeitung eine Chance, quasi ein globales Medien in einer globalisierten Welt."

Infos und die aktuelle Ausgabe im Internet unter: http://www.aufbauonline.com
Der Aufsatz, den wir mit Erlaubnis der Autorin wiedergeben, erschien zuerst in "DIE RHEINPFALZ" (15.5.2001)