von Andreas Schmidt
Martin Buber wurde am 8.2.1878 in Wien als Kind einer jüdischen Familie
geboren; sein Großvater, in dessen Haus in Lwow (Lemberg) in Galizien
Buber einen wesentlichen Teil seiner Kindheit erlebte (die Ehe seiner Eltern
war zerbrochen), war ein sehr angesehener Gelehrter auf dem Gebiet der jüdischen
Tradition und Literatur. Buber studierte in Wien, Leipzig, Berlin, Zürich
und schloß sich früh der zionistischen Bewegung an, mehr aus religiösen
und kulturellem Antrieb als aus politischen Motiven. Er gab eine angesehene
jüdische Zeitschrift heraus und lehrte von 1924 bis 1933 an der Universität
Frankfurt/Main jüdische Religionsphilosophie. Zur gleichen Zeit wirkte
er mit
Franz Rosenzweig (1886-1929) am "Freien Jüdischen Lehrhaus" und arbeitete,
ebenfalls gemeinsam mit Rosenzweig, an seiner bedeutenden neuen Übersetzung
des Alten Testaments ins Deutsche.
In den ersten Jahren von Hitlers Herrschaft blieb er in Deutschland und arbeitete
am Aufbau einer jüdischen Erwachsenenbildung. 1938 mußte er emigrieren
und hat von da an, unterbrochen durch zahlreiche Reisen, als Professor an der
Hebrew University in Jerusalem gewirkt. Mit Nachdruck hat er sich für eine
Verständigung der Israeli mit den Arabern eingesetzt, nach dem Krieg auch
für die Wiederaufnahme des Gesprächs mit deutschen Denkern und Institutionen.
Am 13.6.1965 ist er gestorben.
(nach Störig, Kleine Weltgeschichte der Philosophie)
Es folgt hier eine kurze übersichtsartige Beschreibung; für eine ausführlichere essayistische Darstellung:Vertrauen und Dialog
Der breiteren Öffentlichkeit ist Buber, außer durch seine Übersetzung der Heiligen Schrift, zuerst bekannt geworden als Herausgeber und Interpret von Schriften des Chassidismus (Die Erzählungen der Chassidim). Diese religiöse Bewegung innerhalb des Judentums ist gegen 1750 in der Ukraine und in Polen enstanden; ihr Begründer war der Baal Schem Tow (ca. 1700-1760). Sie stellt, darin dem Pietismus (abzüglich freilich der Sentimentalitäten) innerhalb des Christentums vergleichbar, eine Auflehnung gegen Gesetzesglauben, Kasuistik, Intellektualität - eine von tiefem religiösem Gefühl, von Gottessehnsucht getragene Bewegung der Massen; sie betont Gemütswerte, Frömmigkeit, Demut, aber auch Freude und tätige Liebe. Ausgehend von der Gewißheit, daß das Göttliche allen Dingen innewohnt, neutralisiert sie gewissermaßen das messianisch-apokalyptische Element und rückt die Begegnung mit Gott in der Verrichtung alltäglicher Dinge in den Vordergrund. Diese Bewegung hat Bubers Denken stark geprägt. Fünf Jahre lang hat er sich in die überlieferten Texte der Chassidim versenkt und in dieser Zeit jede Wirksamkeit nach außen eingestellt.
Die Dialogphilosophie Bubers sieht die Existenz des Menschen in
Beziehungen, und zwar in zwei grundsätzlich voneinander
verschiedenen Beziehungen: Ich-Es- und Ich-Du-Beziehungen.
Die Ich-Es-Beziehung ist die normale, alltägliche
Beziehung des Menschen zu den Dingen, die ihn umgeben. Der Mensch
kann auch seinen Mitmenschen wie es Es betrachten und behandeln -
und das tut er meistens -; er sieht ihn distanziert, kühl und
nimmt ihn wie eine Sache, ein Stück Umwelt, eingeschmiedet in
Kausalketten.
Ganz anders die Ich-Du-Beziehung. In sie geht der Mensch
mit seinem innersten und gesamten Wesen ein - ja in einer
Begegnung, in einem echten Gespräch tun das beide Partner.
Für Buber ist aber die Begegnung mit dem anderen Menschen
(oder auch mit seiner Umwelt, der er ebenso in einer
Ich-Du-Beziehung begegnen kann) nur ein Abglanz der
Begegnung des Menschen mit Gott. Das Wesen der
biblischen Religion besteht für Buber darin, daß -
ungeachtet des unendlichen Abgrunds zwischen beiden - ein
Gespräch zwischen Mensch und Gott möglich ist.
Die Grundlagen für Bubers Religionsphilosophie liegen in seiner Beschäftigung mit dem Chassidismus und seiner Dialogphilosophie begründet. Der Urgrund des Glaubens ist die Urbeziehung zwischen Mensch und Gott, jene Beziehung zum ewigen Du, die keines Mittlers bedarf. Deshalb geht Buber auch stets über Dogmen hinaus, befolgt auch nicht das jüdische Ritualgesetz, damit nichts diesem Höheren, dieser Beziehung, diesem schlichten und mächtigen Gegenüber zwischen Gott und Mensch entgegensteht.
Dadurch vollzieht er auch gleichzeitig, indem es ihm immer und immer wieder um die Existenz des Menschen geht, die anthropologische Wende der Theologie hin zum Menschen: es gibt nämlich auf der Grundlage der dialogischen Existenz des Menschen schlechterdings keine Aussage über Gott, die nicht gleichzeitig etwas über den Menschen aussagt.
Die Glaubensgeschichte Israel, die in der Hebräischen Bibel ihren Niederschlag gefunden hat, ist für Buber die große Geschichte eines Dialogs zwischen Gott und Mensch: vom Herausrufen Abrahams über den Bundesschluß am Sinai bishin zu den Kündern, eine dialogische Geschichte, die jeden, der sich der Tradition, die sich daraus ergibt, anschließt, anfordert. In seiner (der existentialen Interpretation sehr nahestehenden) Exegese geht es ihm immer wieder darum, die Stimme zu vernehmen, ja, er bringt es sogar auf die Kurzformel: Exegese ist Hinhören.
Veröffentlicht mit der freundlichen Erlaubnis des Autors: Andreas
Schmidt.
Zu den Martin Buber Seiten des
Autors
Hier geht es zu "Martin Bubers Übertragung der Schrift. Widerstand und Trost im Hitlerdeutschland" von Helmut Foth
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