Projekt "DENKMAL"

- Ein Beitrag praktischer Versöhnungs- und Friedensarbeit -
vorgestellt von Eberhard Dittus

"Wehret den Anfängen! Verhindert, dass sich die Gräueltaten der NS-Zeit nie mehr wiederholen!" ist die kurze Zielbeschreibung des Projekts "DENKMAL". Dass diese Mahnung nicht unbegründet ist, ist seit den Ereignissen in Hoyerswerda, Solingen, Mölln, Rostock, Ludwigshafen und vielen anderen Orten in Deutschland deutlich. Geschändete Friedhöfe, brennende Synagogen und Asylunterkünfte und heimtückisch ermordete ausländische Mitbürger sind Zeichen genug. Die Innenminister von Bund und Länder warnen seit Jahren vor anwachsenden rechtsextremistischen Tendenzen in der Bevölkerung, wobei die Täter nicht nur unter arbeitslosen Jugendlichen zu suchen sind, wie hin und wieder behauptet wird. Beachtenswerte Wahlerfolge von nationalsozialistisch und rechtsextremistisch orientierten Parteien belegen die berechtigte Sorgen der Verfassungsschützer.

Das Projekt "DENKMAL" wurde 1995 im Bereich der Evangelischen Kirche der Pfalz von der Arbeitsstelle Friedensdienst im gestartet. Anlass war die o.g. Tatsache, dass mehr als 50 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und den Schreckensjahren der Nazidiktatur der Einfluss national(sozial)istischen Gedankengutes nach wie vor zu beobachten ist. Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus sind Kennzeichen dafür. Fast täglich werden wir mit derartig rassistisch motivierten Gewalttaten konfrontiert. Das Projekt möchte dazu beitragen, dass diese Herausforderungen erkannt und bearbeitet werden. Es versteht sich als Beitrag praktischer Versöhnungs- und Friedensarbeit.

Zielgruppen des Projektes sind Kirchengemeinden, insbesondere Jugendgruppen und Einrichtungen der Jugendhilfe. Zunehmend werden die Angebote jedoch von Schulen im Sozialkunde- Geschichts- Ethik- oder Religionsunterrichtes in Anspruch genommen. Im Rahmen des Gesamtprojektes werden mehrere Einzelprojekte angeboten, die durch unterschiedliche methodische Ansätze verschiedene Zugänge zu der Thematik ermöglichen. Fünf Projekte möchten wir hier beispielhaft vorstellen: Gedenkstätten-Fahrt, lokale und regionale "Spurensuche", Courage-Training, "Schule ohne Rassismus" und die Gestaltung von Gedenkstunden.

1. Gedenkstunden

Jahrestage, wie der 8. Mai 1945, der das Kriegsende und die Befreiung von der Nazidiktatur markiert oder der 1. September 1939, der mit dem Überfall der Deutschen Wehrmacht auf das benachbarte Polen den Beginn des Zweiten Weltkrieges auslöste, eignen sich für Gedenkstunden und Gedenkveranstaltungen. Nicht zu vergessen ist der 9. November. Dieses Datum erinnert uns an die Pogromnacht oder auch sogen. "Reichskristallnacht", in der auf Befehl der SS fast alle Synagogen im Deutschen Reich nieder gebrannt wurden. Der 27. Januar zählt ebenfalls zu den denkwürdigen Jahrestagen. Am 27. Januar 1945 wurde das Konzentrationslager Auschwitz befreit. Der Name Auschwitz steht heute für die barbarischen Verbrechen der Nazidiktatur, der Millionen unschuldiger Menschen zum Opfer gefallen sind. Seit 1996 ist dieser Tag durch Bundespräsident Dr. Roman Herzog zum nationalen Gedenktag für alle Opfer des Nationalsozialismus erklärt worden. In seiner Erklärung fordert er:".... Die Erinnerung darf nicht enden; sie muß auch künftige Generationen zur Wachsamkeit mahnen. Es ist deshalb wichtig, eine Form des Erinnerns zu finden, die in die Zukunft wirkt. Sie soll Trauer über Leid und Verlust ausdrücken, dem Gedenken an die Opfer gewidmet sein und jeder Gefahr der Wiederholung entgegenwirken."

Im folgenden wird die Konzeption einer Veranstaltung vorgestellt, die dieses Anliegen aufgegriffen hat und die seit 1997 erfolgreich in Speyer durchgeführt wird. Die Deutsch-Israelische-Gesellschaft, die Arbeitsstelle Friedensdienst der Evangelischen Kirche der Pfalz und die Stadt Speyer kooperieren als Veranstalter.

Die Veranstaltung steht unter dem Motto: "erinnern – gedenken – mahnen". Zur Konzeption gehört, dass jährlich ein neuer inhaltlicher Schwerpunkt, orientiert an den verschiedenen Opfergruppen, gesetzt wird. Dadurch kann über mehrere Jahre hinweg auch weniger bekannten Opfergruppen Aufmerksamkeit geschenkt werden. Gleichzeitig wird der Vorwurf entkräftet, es würde immer nur um "Juden" gehen. Als weitere Opfergruppen sind zum Beispiel zu nennen die Sinti und Roma, Zwangsarbeiter, Homosexuelle, Bibelforscher, Deserteure und Kriegsdienstverweigerer, Künstler und Schriftsteller, Zwangssterilisierte und "Euthanasie"-Geschädigte, und natürlich alle politischen Gegner der Nazis, Kommunisten und Sozialdemokraten. Wertvolle Informationen zu diesen Themen und Bereichen bietet u.a. die Adresse: www.shoa.de

Die Hauptakteure bei dieser Veranstaltung sind Schülerinnen und Schüler, die zusammen mit ihren Lehrkräften die Gedenkstunde gestalten. Die Planung sollte spätestens 6 Monate zuvor beginnen. Das Motto "erinnern-gedenken-mahnen" ist gleichzeitig die Gliederung der Gedenkstunde. Sie wird jeweils durch Musikbeiträge eingeleitet, verbunden und beendet. Die drei Abschnitte können von je einer Schule oder Klasse eigenverantwortlich im Unterricht vorbereitet werden. Hinsichtlich der musikalischen Gestaltung hat es sich als hilfreich erwiesen, diese möglichst in einer Hand zu belassen. Bei der Gestaltung der Stunde sollte darauf geachtet werden, dass der lokale Bezug zum Thema hergestellt wird und dass der Blick für unsere Dörfer und Städte geschärft wird. Es ist daher unerlässlich, dass in der Vorbereitung genügend Zeit für die Arbeit in örtlichen Schul- Stadt und Kirchenarchiven eingeplant wird. Vielerorts sind Opfer noch namentlich bekannt; sie sollten auch genannt werden. Das sind wir den Opfern schuldig. Bei Nennung der Namen könnten als symbolische Aktion Kerzen entzündet oder Steine beschriftet werden. Fremdenfeindlich und rassistisch motivierte Gewalttaten unserer Tage werden als Mahnung im Abschlussteil vorgetragen. Über die Internet-Adresse www.netzgegenrechts.de sind aktuelle Beispiele abzufragen.

2. Spurensuche

Lokale und regionale "Spurensuche" ist ein wichtiger Baustein des Projektes. Dabei bekommen die Schülerinnen und Schüler die Aufgabe, heraus zu finden, was sich in den Jahren 1933 bis 1945 in ihrem Heimatort und ihrer Region zugetragen hat. Welche Menschen sind als Opfer oder als Täter bekannt? Wo wohnten und arbeiteten sie? Was hat sich wie und wo zugetragen? Welche Plätze und Gebäude spielten eine rolle? Welche Ereignisse der ersten Monate des Jahres 1933 waren von Bedeutung? Wie sind die Reichstagswahlen verlaufen? Welche Erinnerungen werden mit dem 1. April 1933, dem Boykott jüdischer Geschäfte, verbunden? Wie war das mit der Bücherverbrennung am 10. Mai 1933? Welche Rolle spielte die Hitlerjugend? Was geschah am 9. November 1938 in der sogenannten "Reichskristallnacht"? Gibt es noch Erinnerungen an den 22. Oktober 1940, den Tag der Deportation badischer und saarpfälzer Juden nach Gurs? Wurde Widerstand geleistet und was geschah mit diesen Menschen? Gibt es noch Dokumente, Fotos oder Zeitungen?

Falls genügend Materialien, Berichte und Fotos zusammen kommen, bietet es sich an, daraus eine Ausstellung oder eine Broschüre zu erstellen. Kooperationspartner bei diesen Projekten könnten die Stadt- bzw. Kreisarchive und die Historischen Vereine sein, die sich auch an der Finanzierung beteiligen könnten. In Neustadt wurde im Rahmen eines Konfirmandentages eine erste Spurensuche 1996 unter dem Motto "Das Geheimnis der Versöhnung ist Erinnerung" durchgeführt. Aus den Informationen, Berichten, Dokumenten und Fotos wurde eine Broschüre gefertigt, die die Geschichte von Neustadt in den Jahren zwischen 1933 und 1945 beleuchtet. Mit Hilfe der Broschüre führen Lehrerinnen und Lehrer mittlerweile ihren Unterricht an Ort und Stelle durch. Sie begehen die Stadt, um den Schülerinnen und Schülern ein Lernen außerhalb des Klassenzimmers zu ermöglichen. Die weitere Umsetzung der Ergebnisse mündete sogar in der Erstellung einer CD-ROM, die im Internet unter http://www.gedenken-und-mahnen.de abzurufen ist.

3. Gedenkstättenfahrt

Ein weiterer Baustein des Projekts "DENKMAL" ist der Besuch eines ehemaligen Konzentrationslagers. Der Besuch einer solchen Gedenkstätte kann in hohem Maße lernen fördern, das durch die besten Geschichtsbücher nicht zu ersetzen ist. Konzentrationslager sind außergewöhnliche Lernorte; dort wurden Menschen von Menschen willkürlich oder gezielt, unschuldig gefangen gehalten, gedemütigt, geschunden, gequält und gemordet. Aus diesem Grund ist der Besuch allerdings erst ab der 8. Klasse zu empfehlen und erfordert eine gute Vorbereitung der Schülerinnen und Schüler. Im Unterricht könnte Fächer übergreifend der Nationalsozialismus und die Themen Faschismus, Antisemitismus, Rassismus u.a. behandelt werden. Ideal wäre sogar, wenn dies in Absprache mit anderen Lehrkräften der Fächer Religion/Ethik, Sozialkunde, Geschichte, Deutsch, Musik und Bildende Kunst geschehen könnte.

Für den Bereich der Pfalz bietet sich eine Fahrt in die KZ-Gedenkstätte Osthofen bei Worms an. Osthofen ist aus vielerlei Gründen für diese Unternehmung geeignet: Es liegt vor unserer Haustür; der lokale Bezug ist leicht herzustellen. Die drei Entwicklungsstufen der Konzentrationslager sind zu erkennen; Osthofen gehört zur ersten Entwicklungsstufe, zu den sogenannten "wilden" Lagern und existierte von 1933 bis 1934. Heute ist das ehemalige KZ-Osthofen Gedenkstätte und NS-Dokumentationszentrum des Landes Rheinland-Pfalz. Osthofen besitzt gut ausgestattete Seminarräume und eine informative Ausstellung unter dem Titel: "Die Zeit des Nationalsozialismus in unserem Land". Sie ist täglich geöffnet und wird pädagogisch betreut von der Landeszentrale für politische Bildung und dem Förderverein "Projekt Osthofen". Gruppen sollten sich allerdings telefonisch anmelden und den Programmablauf absprechen. Für den Besuch und die Führung entstehen keine Kosten, lediglich für die Anreise, die sinnvoller Weise mit der Bahn (24-Plus-Ticket) erfolgen sollte. Zwei wichtige Hinweise: von Anfang an sollte genügend Zeit für eine derartige Unternehmung eingeplant werden. Dies bedeutet, dass etwa 2 bis 3 Stunden vor Ort nötig sind, um die wichtigsten Dinge zu erfahren. Weiterhin scheint es nötig zu sein, darauf hinzuweisen, dass der Tag nicht als übliche "Ausflugsfahrt" verstanden wird und womöglich mit einem gemütlichen Abschluss in der Wormser Altstadt endet. Falls dennoch genügend Zeit für einen anderen Programmpunkt wäre, würde sich der Besuch des jüdischen Friedhofes oder der Synagoge in Worms anbieten.


4. Courage-Training

Die stetig anwachsende Zahl von Gewalttaten aus dem rechtsextremistischen Lager ist eine große Herausforderung für alle, die im pädagogischen Bereich tätig sind. Wie können wir dieser Gewalt begegnen? Schon lange wird von Fachkreisen mehr Zivilcourage gefordert. Die Forderung ist richtig; jedoch erzwingen lässt sie sich Zivilcourage nicht. Sie lässt sich aber lernen! Aus diesem Grund bieten wir seit 1996 Courage-Trainings an. Diese Trainings sind auch unter der Bezeichnung Deeskalations-Training bekannt. Sie gehen zurück auf die bundesweit angelegte Kampagne "Wege aus der Gewalt", die die Gruppe "SOS Rassismus" in NRW und der Bund für Soziale Verteidigung angeregt haben. Die Arbeitsstelle Friedensdienst hat das Projekt aufgenommen und für den Bereich der Pfalz weiterentwickelt. Ziele des Trainings sind vor allem:

Was wir mit diesem Projekt nicht bieten können, sind Patentrezepte gegen Gewalt und schnelle Lösungen; die gibt es leider nicht. Im Gegenteil, die Erfahrung zeigt, je größer und dringlicher die Probleme sind, umso mehr Geduld ist nötig. Aber umso wichtiger ist es sich überhaupt auf den Weg zu machen.

Methodisch sind die Trainingseinheiten so aufgebaut, dass einem Rollenspiel oder einer Übung ein Reflexionsteil folgt. Für jede Einheit werden zwischen 15 und 45 Minuten benötigt. So können, je nach Zeitrahmen eine entsprechende Zahl von Trainingseinheiten zusammen gestellt werden. Die Trainings sind sowohl für Kinder und Jugendliche als auch für Erwachsene geeignet.

5. "Schule ohne Rassismus"

Das Projekt ist 1988 in Belgien entstanden. Die Zielsetzung war klar: Rassismus und Gewalt das Wasser abzugraben. Nachdem das Projekt in Belgien erfolgreich umgesetzt wurde, wurde es im Rahmen der europäischen Jugendkampagne "all different – all equal" in den Niederlanden, Frankreich, England und in Deutschland gestartet. Das deutsche Koordinierungsbüro hat seinen Sitz in Bonn ( www.aktioncourage.org/projekte ). Die Arbeitsstelle Friedensdienst ist eine der Service-Stationen in Rheinland-Pfalz.

Schülerinnen und Schüler sind bei diesem Projekt die Hauptakteure. Sie werden von der Schulleitung, Elternvertretern und weiteren Fachkräften unterstützt. Die Umsetzung des Projektes geschieht in zwei Schritten:

  1. Um eine Schule ohne Rassismus zu werden, diskutieren die Schülerinnen und Schüler Regeln, die für eine Schule ohne Rassismus wichtig sind. Erst wenn 70 Prozent aller Schülerinnen und Schüler und der Lehrerschaft diesen Regeln zustimmen und dies mit ihrer Unterschrift bestätigen kann das Projekt beginnen.
  2. Die eine oder andere Aktion gegen Rassismus sind zwar ein guter Anfang, sie können auf Dauer nicht viel ändern. Die Thematisierung von Rassismus in den unterschiedlichsten Unterrichtsfächern ist das Ziel und soll über Projektarbeit, Aktionen, Begegnungen, Feste und kreative Veranstaltungsformen erarbeitet werden (vergl. Einzelprojekte des Gesamtprojektes "DENKMAL").

Mehr zu "Schule ohne Rassismus" gibt es hier...

Zu allen Projekten bieten wir weitere Planungs- und Durchführungshilfen an! Arbeitsstelle Friedensdienst der Evangelischen Kirche der Pfalz, c/o Eberhard D i t t u s, Große Himmelsgasse 3, 67346 Speyer, Telefon: 06232-6715-17, Fax: 06232-6715-67, e-mail: dittus@frieden-umwelt-pfalz.de

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