Der Aufstand im Warschauer Ghetto

von Jasmin Gnägy


"Mit Gewalt aus Bunkern hervorgeholt"

Mit dem Einmarsch der Deutschen im Jahre 1939, wurden auch in Polen Ghettos errichtet zur Konzentrierung und noch effektiveren Ausbeutung der Juden. Die Juden durften keinen Kontakt außerhalb des Ghettos haben und mussten ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten. Warschau hatte zu diesem Zeitpunkt die größte jüdische Gemeinschaft Europas. Sie umfasste 380.000 Mitglieder, was ein Drittel der gesamten Bevölkerung Warschaus ausmachte. Im November 1939 riegelte die Besatzungsmacht den überwiegend von Juden bewohnten Teil des Stadtzentrums ab. Dieser durfte nun wegen „Seuchengefahr“ nicht mehr von deutschen Soldaten betreten werden.

Nach diesen ersten Maßnahmen wurde am 2. Oktober 1940 allen jüdischen Einwohnern der Stadt der Umzug ins Ghetto befohlen. Die knapp 70 Straßenzüge waren durch hohe Mauern und Stacheldraht von der Bevölkerung abgegrenzt. Den jüdischen Bewohnern des Ghettos war es verboten das Ghetto zu verlassen. Auf Kontakt mit der Außenwelt oder gar Schmuggeln, stand die Todesstrafe. Die Bewachung des Ghettos übernahmen nichtjüdische Bewohner Warschaus. Diese waren nach den Wirtschaftskrisen der 30er Jahre stark antisemitisch eingestellt und deshalb gab es kaum Widerstand von den Warschauern.

Im Innern des Ghettos setzten die Deutschen einen Judenrat ein, der die Innere Verwaltung des Ghettos übernahm. Die Mitglieder dieses Judenrates galten manchen Bewohnern als Verräter, entsprechend oft haten sie mit Gewissensbissen zu kämpfen. Im Warschauer Ghetto, wie auch in allen anderen Ghettos eds Landes, herrschten miserable Zustände. 350.000 Menschen lebten auf engstem Raum zusammen. In einem Raum lag die Anzahl der Menschen durchschnittlich 13 Menschen. Jedoch hatten Tausende gar keine Unterkunft. Die Nazis versuchten die Juden auszuhungern. Typhus sowie Gelbfieber breiteten sich aus, so dass die monatliche Sterberate bei 6000 lag. Da die Nazis auch die medizinische Versorgung zurückhielten, waren die Spitäler überfordert und insgesamt starben bis zum Juni 1942 100.000 Menschen. Besonders Kinder und alte Menschen waren von diesen katastrophalen Bedingungen betroffen. Um an lebensnotwendige Güter heranzukommen waren die Juden gezwungen ihr Privatvermögen zu verkaufen. Doch auch dieser geringe Erwerb wurde den Juden durch Beschlagnahmung ihres Besitzes genommen. Somit mussten sie die von den Deutschen befohlene Zwangsarbeit verrichten, um an Lebensmittel zu gelangen. Eine andere Möglichkeit der Lebensmittelbeschaffung stellte der Schmuggel dar. Jede Nacht riskierten jüdische Armeen, unter denen sich viele Frauen befanden, ihr Leben. Die Jugendbewegung entwickelte verschiedene Gruppierungen, die das Ghettoleben erträglicher machen sollten. Es wurden Schulen gegründet, Theatergruppen aufgebaut, und Suppenküchen errichtet, die zur Ernährung der Schwächsten dienten. Nach der Nachricht, dass 40.000 Juden aus Lodz, 40.000 aus Pommern und mehrere hundert Sinti und Roma aus Bessarabien vergast worden seien, sprach man vereinzelt darüber Widerstand gegen die Nazis zu leisten.

Im Juli 1942 beginnen die Deportationen der Juden aus Warschau in das Konzentrationslager Treblinka. Dem Judenrat wurde befohlen, üdische arbeitsunfähige Bevölkerung auszuwählen, die den Tod in Treblinka finden sollten. Im September 1942 waren von den 380.000 Juden nur noch 60.000 Juden übrig. Die Übriggebliebenen, fast nur junge und arbeitsfähige wussten, dass sie dem Tod nicht entgehen konnten. In dieser Stimmung bildet sich im Oktober 1942 die jüdische Kampforganisation ZOB (Zydowska Organizacja Bojawa). In der ZOB waren auch viele Frauen und Mädchen, die gelernt hatten mit Waffen umzugehen. Die jüdischen Frauen spielten eine große Rolle, da sie häufig Informationen in andere Gettos brachten. Frauen sahen weniger verdächtig aus und konnten die Besatzer besser um den Finger wickeln. Die ersten Aktionen der ZOB richteten sich gegen Verräter im Ghetto der Mitglieder des Judenrates.Die jüdische Kampforganisation besaß anfangs nur ein Gewehr. Bevor die erste große Aktion vorbereitet war, marschierten die Deutschen am 12. Januar 1943 wieder in den Warschauer Ghetto, um diesen zu räumen. Die Widerstandskämpfer versteckten sich in Bunkern und besiegten die Deutschen nach vier Tagen des Kampfes. Obwohl 80% der Mitglieder der ZOB in den Gefechten starben, gab dieser kleine Sieg der Bevölkerung ein Stück Hoffnung zurück. Die Teilnahme an der ZOB wuchs und diese übernahm die Finanzen des Judenrates um ihre weiteren Aktionen vorzubereiten. Polnische Untergrundorganisationen unterstützten die Mitglieder der ZOB nach diesem Sieg mit Waffen. Um Hitler zu seinem Geburtstag (20.April) ein judenfreies Warschau zu präsentieren, marschierten die Besatzungstruppen am Morgen des 19. aprils 1943 zum wiederholten Male in den Ghetto. Doch sie waren den rund 2000 jüdischen Partisanenkämpfern nicht gewappnet. Gegen zwei Uhr nachmittags zog sich die SS mit einem Verlust von 200 Mann wieder zurück. Nachdem die Nazis durch ihre Aktionen nicht zum Sieg kamen, begannen sie das Ghetto anzuzünden. Viele Menschen starben in den Flammen, jedoch kämpften die Überlebenden verbittert weiter.

Am 8.Mai 1943 besiegten die Deutschen die letzten 120 Kämpfer, die sich im Bunker verschanzt hatten, indem sie eine Gasbombe in den Bunker warfen. Nur wenige Kämpfer konnten aus dem Warschauer Ghetto fliehen, jedoch war es für die Widerstandskämpfer wichtig in Würde für ihr Volk zu sterben. Dieser Kampf um die eigene Würde drückt sich deutlich in einem bekannten Partisanenlied aus:

Hirsch Glick (1922-1944): "Sog Nit Keyn Mol"

Sog nit keyn mol as du geyst dem letzten Weg,
Chotsch Himmeln blayene farstelen bloye Teg.
Kumen wet noch unser oyesgebenkte Schoh-
S´vet a poyk ton undzer trot- mir zaynen do!

Fun grinem Palmenland bis waysn Land fun Schney,
Mir kumen on mit unser payn, mit unser wey,
Un wu gefaln s´is a spritz fun unser Blut,
Sprotsn wet dort unser gvure, unser mut.

S´vet di Morgnzun bagildn uns dem Haynt,
Un der Nechtn wet farschwindn mitn Faynd,
Nor oyb farsamen wet di sun in dem kayor-
Wi a Parol sol geyn dos Lid fun dor yu dor.

Dos Lid geschribn is mit Blut un nit mit Blay,
S´is nit keyn Lidl vun a Voygl af der Fray,
Dos hot a Volk zvischn faindike Wend
Dos Lid gesungen mit Naganes in di Hend!

Sog nit keyn mol as du geyest dem letzen Weg,
Chotsch Himmeln blayene farstelen bloye Teg.
Kumen wet noch undser oysgebenkte Schoh-
S´vet a poyk ton unser trot- mir zayen do!

Sage nie du gehst den letzten Pfad,
Auch wann das Blei verdeckt des Himmels blauen Tag.
Kommen wird noch die von uns gebangte Stunde-
Unser Tritt wird schallen – Wir sind da!

Vom grünen Palmenland bis weißen Land von Schnee,
Wir kommen an mit unserem Schmerz, mit unserem Weh,
Und wo gefallen ist ein Spritzer von unserem Blut,
Sprossen wird dort unsere Schneid, unser Mut.

Es wird die Morgensonne uns begleiten Heut´
Und das Gestern wird verschwinden mit dem Feind,
Nur ob zur Zeit wird die Sonne kommen dieses Jahr-
Wie eine Parole soll gehen das Lied von Generation zu Generation.

Das Lied geschrieben ist mit Blut und nicht mit Blei,
Es is kein Liedchen von einem Vogel frei,
Es hat ein Volk zwischen benzenden Wänden
Das Lied gesungen mit Pistolen in den Händen!

Sage nie du gehst den letzen Pfad,
Auch wann das Blei verdeckt des Himmels blauen Tag.
Kommen wird noch die von uns gebangte Stunde-
Unser Tritt wird schallen - Wir sind da!


In diesem Lied wird deutlich, dass die Widerstandskämpfer nie aufgegeben haben. „Sage nie du gehst den letzten Pfad“, dieser oft wiederholte Vers, drückt aus dass noch viele „Pfade“ kommen sollen und somit keine Zeit für Hoffnungslosigkeit bleibt. Jedoch wird in diesem Lied die furchtbare Situation in der die Juden zu dieser Zeit lebten nicht verheimlicht oder beschönt. Durch „das Blei verdeckt des Himmels blauen Tag“, was die Kanonenkugeln beschreibt, die unaufhörlich abgefeuert werden und auch durch „es is kein Lied von einem Vogel frei“,wird der Lebensumstand realistisch dargebracht. Durch die Strophe „Kommen wird noch die von uns gebangte Stunde“,wird die realistisch hoffnungslose Sicht der Partisanen auf ihr Ende gezeigt. Sie wussten dass sie sterben müssen, wollten aber durch den Kampf ihre Würde aufrecht erhalten. Die Partisanen hatten einen starken Willen, was sich in Strophe 3 bestätigen lässt. Jeder „Spritzer von unserem Blut“ erhöht noch ihren „Mut“. Diesen Willen wollten die Partisanen „von Generation zu Generation“ weitergeben, durch dieses Lied.

Dieser Beitrag entstand im Rahmen eines fächerübergreifenden Projektes am Alfred-Grossert-Schulzentrum Bad Bergzabern

Quellen:
www.shoa.de
www.agmarxismus.net
www.dhm.de

Bild: Stroop Report, May 1943, public domain

Literatur:

Das Warschauer Getto:
Alltag und Widerstand im Angesicht der Vernichtung