Kinder im KZ - Tatsachenberichte

von Charlotte Taraschewski


Kindermemorial in YadvaShem/Jerusalem

Kleine Kinder hinter dem Stacheldrahtzaun von Auschwitz, die die eintätowierten Nummern auf ihren Ärmchen zeigten, kleine Jungen im Ghetto Warschau, denen von der SS Nahrung abgenommen wurden, Kinder an denen der KZ- Arzt Mengele seine "Experimente" durchführte: Was geschah mit denen, die im Alter von acht, zehn oder vierzehn Jahren das denkbar schlimmste Schicksal getroffen hatten, in ein nationalsozialistisches Ghetto oder KZ eingeliefert zu werden ?

Ganz kleine Kinder oder Neugeborene wurden meistens gleich getötet, da man sie nicht für Arbeitseinsätze gebrauchen konnte. KZ-Aufseher taten dies oft auf sehr grausame Art und Weise. "Eine Frau gebar ihr Kind, ich wickelte es in Kleidungsstücke und legte es neben der Mutter auf den Boden, dann brachte ich der Mutter aus einem anderen Waggon ein Lebensmittelpaket. Baretzki kam mit dem Stock auf mich zu und schlug mich und die Frau. 'Was spielst du mit dem Dreck' schrie er mich an. Das Kind fiel auf den Boden, und er trat es zehn bis fünfzehn Meter mit dem Fuß fort wie einen Fußball." (Simon Gotland Paris. Aussage im Auschwitz- Prozeß) "Es war 1944, daß es zu solchen Szenen gekommen ist unter Oberscharführer Moll. Er nahm das Kind von der Mutter weg, hat es weggetragen, was ich gesehen habe im Krematorium 4, wo es zwei große Gruben gegeben hat. Er hat die Kinder hineingeworfen in das kochende Fett von diesen Leuten" (Filip Müller, arbeitete im Sonderkommando in Birkenau).

In den meisten KZs gab es für die schwangeren Mütter und Neugeborenen einen eigenen Block, oft war dieser mit dem Krankenblock zusammen gelegt. Nach der Geburt durften die Häftlinge die Neugeborenen nicht einmal waschen, sondern konnten sie nur notdürftig mit Krepppapier abreiben. "Ich habe viel gesehen, in Auschwitz, aber das, was ich da geshen habe, war das Schlimmste. Die einzige Sorge die man hatte, war, daß man den Neugeborenen sofort die Häftlingsnummer in den Oberschenkel tätowierte, weil der Oberarm eines Kindes zu klein war für die Häftlingsnummer" (Hermann Langbein, Schreiber im Krankenbau). Nach diesen Aussagen kann man sich nur ansatzweise vorstellen, wie grauenvoll es in diesen Blocks vor sich gegangen ist.

Genauso wie bei Erwachsenen wurden Kinder und Jugendliche nur nach ihrer Arbeitskraft eingestuft und entsprechend selektiert, d.h., entweder als Arbeitskraft missbraucht oder sofort in den Tod geschickt. Eine weitere "Chance" dem sofortigen Tod zu entgehen war die Verwendung als "Material" für Menschenversuche durch die KZ- Ärzte, wie z.B. Mengele "Da ich erkannt hatte, daß die einzige Möglichkeit einer Rettung die war, sich zu den Erwachsenen zu schlagen, ging ich bei der Selektion aus der Reihe heraus und wandte mich an Mengele mit der Bitte, mich zu den arbeitsfähigen Männern zu schicken. Ich erhielt ein paar Fußtritte und wurde zurückgejagt." ( unbekanntes Kind, das überlebte). Die Entscheidung über Leben und Tod verdankten viele Kinder nur dem Zufall . "Nach einer Selektion wählten Dr. Mengele und seine Assistenten aus dem Lager 70 Jugendliche aus. Ich gehörte nicht dazu, da ich damals mit meinen elf Jahren von äußerst schwacher Konstitution war. Es gelang mir aber trotzdem, wie durch einen Zufall, mich zu dieser Gruppe zu stehlen und wieder bis zum Lagerausgang zu kommen ohne entdeckt zu werden."

Nachdem die Kinder sich in den Arbeitslagern halb tot gearbeitet hatten, wurden sie meist nach Auschwitz deportiert und sofort ins Gas geschickt. Der Transport dauerte oft sehr lange und fand unter sehr schlechten Bedingungen statt, so dass bei der Ankunft die Hälfte aller Kinder tot waren. "Im Dezember 1942 war ich zusammen mit meinen Eltern und meinem Bruder aus Prag in das Ghetto von Theresienstadt deportiert worden. Am 5. September 1943 wurden wir dann in Viehwaggons verladen, immer 60 oder 70 Personen samt Gepäck in einem Wagen zusammengepfercht....Genau sechs Monate nach unserer Ankunft wurde unser Transport - ursprünglich waren es zirka 5 000 Menschen gewesen - ins Gas getrieben. Mein Bruder und ich entgingen diesem Schicksal, weil wir Zwillinge waren und weil Mengele sich deshalb für uns interessierte." (Jiri Steiner 14J.)

Nicht nur kindliche Träume und Beschäftigungen wurden den Kindern in dieser Zeit ausgetrieben, auch der Glaube an Gott ging in vielen Fällen verloren. "Hier geht es um das Leben, und wir alle haben nur eines. nein, es darf nicht sein, sie können das nicht tun, niemand wird das zulassen! Aber warum sollten sie nicht? Wer hat sie denn daran gehindert, uns hierher zu bringen und wer wird den Bau von Gaskammern verhindern, wer - Gott ? ich habe aufgehört, an Gott zu glauben, ist das die Strafe dafür ? " (Aus dem Tagebuch von Charlotta Veresova,14J.).


Theresienstadt, das "Muster - KZ " der Nazis


Nach der Besetzung der Tschechoslowakei wurde gegen Ende des Jahres 1941 das größte Konzentrationslager Böhmens in der Stadt Terezin errichtet. Es diente als Sammellager vor der Deportation nach Auschwitz und in andere Vernichtungslager, wo die Häftlinge in den Gaskammern ihr Leben lassen mussten. Im Konzentrationslager Terezin selbst starben in den Jahren 1942 bis 1945 etwa 35 000 Häftlinge durch Verhungern, an Krankheiten und Epidemien. Trotz dieser erschütterden Tatsachen versuchten die Nazis, das Konzentrationslager Terezin für ihre Propaganda zu missbrauchen. Sie wollten die Tatsache verschleiern, dass das sog. "Ghetto Theresienstadt", das sie der Welt als Mustersiedlung darstellten, in Wirklichkeit ein Konzentrationslager im wahrsten Sinn des Wortes und eine Etappe des Weges zur geplanten Vernichtung seiner Häftlinge war.
Mehr als 15 000 Kinder passierten das Ghetto Theresienstadt, nur ungefähr 100 kamen zurück. Was verbirgt sich hinter diesen beiden Zahlen ? "Fuchtbare hygienische Bedingungen in dem überfüllten Städtchen, wo man sogar mit Waschwasser sparsam umgehen musste und warmes Wasser ein kaum erreichbarer Luxus war, wo ein winziges Stück Seife die Ration für sechs Wochen darstellte. Mangel an Nahrungsmitteln, nichts, womit man den Magen wenigstens füllen konnte, von wertvollen Nährstoffen gar nicht zu reden. Hier flogen keine Schmetterlinge, hier wuchsen keine Bäume und blühten keine Blumen. Aber Kinder mußten hier leben.Kinder und junge Leute - Gefangene wie alle anderen. Und sie lebten ? Ja, sie lebten." (Irena Lauscherova, ehemals Erzieherin in Theresienstadt).

Die Kinder stellen einen besonderen Part in der Geschichte des Konzentrationslagers Theresienstadt dar, da sie die Hoffnung auf Zukunft und auf Überleben waren. Deshalb versuchte man den Kindern, so gut es ging, eine bessere Lebensqualität, Verpflegung und eine Unterbringung zu sichern. Trotz des Verbots wurden die Kinder auch in den wichtigsten Schulfächern unterrichtet "Die Lehrbücher für die erste Klasse schrieben wir aus dem Gedächtnis nach. Wir besaßen auch noch genügend Energie, um über die Methoden des Elementarunterrichts - global oder buchstabieren - aufs lebhafte zu diskutieren" Es entstanden im Unterricht auf Löschpapier, minderwertigem Kriegspapier und bedruckten Formularen Tausende von Bildern. In den freien Zeichenstunden malten Kinder Begebenheiten aus dem Ghetto und drückten ihre Sorgen, Sehnsüchte und Ängste aus. Im Gegensatz zum illegalen Unterricht war das Singen und Turnen im Ghetto erlaubt und diente so auch oft als Tarnung "Wurde das Warnsignal gegeben, dann verschwanden sogleich alle Lehrbehelfe, nur Turnen oder Singen ging weiter, und statt des Vortrages über alte tschechische Legenden wurde aus dem Buche 'Kaja Marik' vorgelesen " (Eva Wollsteinerova).

Angeregt durch den illegalen Unterricht, in dem die Kinder häufig Gedichte lernten und besprachen, schrieben viele ebenfalls Gedichte und kleine Prosastücke, die den Tagebüchern und Jugendzeitchriften im Ghetto anvertaut wurden. In diesen Gedichten, wie auch in den Bildern, wird von Tod, Schmerz und Hoffnung der Insassen gesprochen und es ist schwer vorstellbar, wie die Kinder mit solchen Bildern im Kopf, fertig geworden sind. "...in der vergangen Nacht hatte ich einen herlichen Traum. Ich träumte, daß ich zuhause war, ich sah unsere Wohnung und unsere Straße ganz deutllich. Jetzt bin ich enttäuscht, weil auf einer Pritsche statt zu Hause aufgewacht bin ..." (Helga Weissova)

Ein "Märchen" von Karel Fleischmann "Es war einmal ein König und der hatte Hunger. Er ging zum Schalter und sagte: 'zweimal!' Das ist das ganze Märchen, das ist das ganze Theresienstadt. Die Kinderphantasie von der doppelten Portion."

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