Abflug
Es ist Dienstag, der 16.1. 2018, ein trüber, zum Glück nicht
ganz so kalter Wintertag. Die Koffer sind schon gepackt, als ich morgens
um halb acht das Haus verlasse. An der Schule sind noch fünf Stunden
Reli-Unterricht zu halten, aber ehrlich gesagt: mit dem Kopf bin ich schon
in Jerusalem. Zu Hause esse ich noch geschwind etwas zu Mittag, dann geht
es los. Abends, um 19:30 Uhr hebt die Boeing 737 in Frankfurt ab Richtung
Tel Aviv. Vorher aber muss ich noch die Sicherheitsuntersuchungen über
mich ergehen lassen, weshalb ich schon 3 h vorher am Flughafen bereit
stehe. Zuerst kommt eine Befragung: Warum ich nach Israel reise, ob ich
dort jemanden kenne, ob das meine erste Reise ist etc. Manch einer, der
sich hier in Widersprüche verstrickt hat, hat schon den Flug verpasst.
Dann wird jedes Gepäckstück, wirklich jedes, durchleuchtet und
geöffnet. Hinter der Sicherheitsschleuse wird noch einmal der Körper
abgetastet. Da meine Schuhe hohe Absätze und dicke Sohlen haben,
muss ich sie ausziehen. Sie werden gesondert noch einmal gescannt. Da
ich nicht zum ersten Mal nach Israel fliege, kenne ich das alles schon.
Ich weiß, wie heikel die Sicherheitslage gerade bei der staatlichen
israelischen Fluglinie ELAL ist. Aber die Tatsache, dass es in den letzten
Jahrzehnten keine größeren Probleme gab, beruhigt mich doch
einigermaßen. Man braucht einfach etwas Geduld.
Ankunft
Als ich am Ben Gurion Airport ankomme, ist es mitten in der Nacht. Um
Kosten zu sparen, habe ich mir vorgenommen, ein Sammeltaxi zu nehmen.
Dass es Stunden dauern würde, bis genug Reisende für das Sherut
zusammen kommen, um Richtung Jerusalem zu starten, daran hatte ich nicht
gedacht. Als ich im Jerusalem-Hostel ankomme, ist es schon 4:30 Uhr. Ich
bin hundemüde. Zu allem Überfluss hat man mir offensichtlich
den falschen door code gemailt. Erst nach heftigem Läuten und Klopfen
öffnet eine Volontärin die Tür und gibt mir die Zimmerschlüssel.
Nach nur fünf Stunden Schlaf in dem schmuddeligen, heruntergekommenen
Zimmer an der Jaffa Street frühstücke ich und ziehe in das komfortablere
Eyal-Hotel um, wo wir bis Sonntag bleiben werden. Zum Glück ist es
nur einen Block weit entfernt, sodass ich trotz meines Gepäcks bequem
zu Fuß dorthin laufen kann. Im neuen Hotel treffe ich schon überraschend
viele andere Teilnehmer unserer Gruppe. Wie jeden Januar in den letzten
Jahren trifft sich die „Konferenz
Landeskirchlicher Arbeitskreise Christen und Juden“ (KLAK), um die
gemeinsame Arbeit im Bereich des christlich-jüdischen Dialogs zu
koordinieren. Da die KLAK 2018 ihr 40-jähriges Bestehen feiert, sind
wir in diesem Jahr nach Jerusalem geflogen.
Eine geteilte Stadt: Jerusalem
Das weltoffene Westjerusalem
Mit zwei Kollegen frühstücke ich in einem stylischen Café
in der Nähe des Mahane Yehuda. Hier verkehren viele Studierende und
Besserverdienende, die Atmosphäre ist großbürgerlich und
weltoffen. Ein Hauch von Tel Aviv mitten in Jerusalem. Auf dem überdachten
Markt im Westteil der Stadt werden gerade die ersten Stände aufgebaut.
Der Duft der exotischen Früchte und Gewürze, der in der Luft
liegt, lässt erahnen, dass wir uns im Orient befinden. Im Übrigen
aber ähnelt West-Jerusalem in vielerlei Hinsicht anderen Großstädten
im Mittelmeerraum. Einige noch geschlossene Geschäfte sind bemalt
mit interessanten Graffitis. Kein Wunder, ganz in der Nähe liegt
befindet sich die Kunstakademie. Einige von den Bildern thematisieren
Inhalte, die (um es vorsichtig auszudrücken) nicht ganz dem jüdischen
Mainstream entsprechen. So zeigt ein Bild zwei knutschende Männer
mit Kippa und Schläfenlocken. Darüber prangt der Slogan: „Love
is love“. Hier zeigt sich die liberale, tolerante Seite Israels, das das
erste Land Asiens war, das 2001 Homosexuelle durch ein Antidiskriminierungsgesetz
schützte.
Chabad Lubawitsch
Unweit davon finden sich Plakate aus dem religiösen Lager: Mit einem
Bild ihres 1994 verstorbenen Rebbe Menachem Schneerson wirbt die Chabad-Bewegung
für ihre Ziele. Wir stoßen während dieser Woche noch öfter
auf Angehörige dieser messianischen Sekte. Mal wollen sie einem christlichen
Touristen mit einer jüdischen Großmutter beibringen, wie man
Tefillin (= Gebetsriemen) anlegt. Mal warnt uns eine Frau mit Perücke
und Bibel in der Hand vor den bösen Palästinensern, die am „Ende
der Tage“ (nach Überzeugung der dieser Leute: jetzt) den Juden nach
dem Leben trachten. Ich verstehe ein wenig, warum mir ein badischer Jude
vor einiger Zeit die Lubawitscher Chassiden augenzwinkernd als „die Religionsgemeinschaft“
vorgestellt hatte, „die dem Judentum am nächsten kommt.“ Auch wenn
sie Aufsehen erregen durch ihre für das Judentum völlig untypische
missionarischen Aktivitäten, machen doch nur einen verschwindend
geringen Anteil am ultraorthodoxen Judentum aus.
Das ultraorthodoxe Lager
Dieses hat in den letzten Jahren in Israel deutlich Boden gut gemacht.
Nicht nur in Mea Schearim, sondern auch in anderen Stadtteilen, v.a. im
Norden Jerusalems wächst ihre Zahl und ihr Einfluss auf die öffentliche
Ordnung. Kurz vor dem Schabbat-Ende strömen viele traditionell gekleidete
Männer vom jüdischen Viertel der Altstadt hinunter zur Klagemauer.
In dieses Viertel, in dem Anfang des 20. Jahrhunderts noch 19.000 Juden
lebten (heute nur noch bzw. wieder 2.000), ist in den letzten Jahrzehnten
viel Geld geflossen. Nicht zu übersehen: Die Bausubstanz ist wesentlich
gepflegter als in den anderen Altstadtvierteln. Nicht zuletzt aufgrund
ihrer hohen Geburtenrate machen die Charedim (von Hebr.: charada = [Gottes-]Furcht)
im Großraum Jerusalem mittlerweile ein Drittel der Bevölkerung
aus. In Israel insgesamt liegt ihr Anteil bei nur 10%, Tendenz freilich
auch hier steigend.
Adolf Eichmann und Theodor Herzl
Bei einem morgendlichen Spaziergang kommen wir zufällig an dem Haus
vorbei, in dem 1961 der Eichmann-Prozess stattfand. Das Gebäude,
heute ein Theater, war früher einmal ein Bezirksgericht. In einer
abenteuerlichen Aktion entführte der israelische Geheimdienst Mossad
den SS-Sturmbannführer aus Argentinien. Nach Südamerika hatten
sich viele Nazis nach dem Krieg geflüchtet. Vor den Augen der Weltöffentlichkeit
betonte der Schreibtischtäter immer wieder, nur Befehle aufgeführt
zu haben. Dabei war er einer Hauptverantwortlichen im Reichssicherheitshauptamt,
die den Genozid an den Juden planten. Die jüdische Philosophin Hanna
Arendt, die damals hier dem Prozess beiwohnte und später ein nicht
unumstrittenes Buch darüber schrieb, sprach in Blick auf Eichmanns
naive Ausflüchte von der „Banalität des Bösen“. In Westjerusalem,
in der noch relativ neuen Mamila-Shoppingmall findet sich ein Haus, das
ebenfalls Geschichte atmet. Hier soll um 1898 Theodor Herzl, der Begründer
des Zionismus, übernachtet haben. Posthum brachte man seinen Leichnam
nach Jerusalem, wo er auf dem Herzlberg, unweit der Gedenkstätte
Jad va-Shem, seine letzte Ruhestätte fand. Eichmann und Herzl: Ein
ungleicheres Paar lässt sich kaum vorstellen: Der eine steht für
die Shoa, die fast vollständige Auslöschung des europäischen
Judentums; der andere für die Rückkehr ins Land der Väter
und Mütter und für den nationalen Neuanfang Israels. Beide Aspekte
prägen das Selbstverständnis der Israelis bis heute.
Die arabische Altstadt
Mehrmals in den fünf Tagen meines Aufenthaltes zieht es mich nach
Ostjerusalem hinüber, das nach dem Sechstagekrieg (1967) von Israel
annektiert und zum Staatsgebiet erklärt wurde. Hier in der Altstadt
kann man eintauchen in die Geschichte von gleich drei Weltreligionen.
Die heutige Stadtmauer stammt aus der Zeit der Mameluken (1250-1517),
ist also nicht identisch mit den Grenzen der Stadt in biblischen Zeiten.
Gleich dahinter ragt der sog. Tower of David in den blauen Himmel. Die
Verteidigungsanlagen haben freilich mit dem israelitischen König
nicht das Geringste zu tun. Die meisten der hier noch zu besichtigenden
Reste stammen aus der Zeit des Herodes. Später residierte hier der
römische Statthalter, wenn er gerade in der Stadt war. Eigentlich
hatte er seinen Amtssitz in dem zivilisierteren Cäsarea unten am
Mittelmeer. Am Passafest freilich musste er hier oben Präsenz zeigen,
so auch als Jesus hingerichtet wurde unter Pontius Pilatus.
Deutsche im Heiligen Land
Gleich neben der Festung befindet sich das Jaffa-Tor. Durch dieses Loch
in der Stadtmauer zog 1898 der deutsche Kaiser Wilhelm II. bei seiner
Pilgerreise in die Altstadt ein. Als Verbündeter der damals hier
herrschenden Osmanen (=Türken) war er ein gern gesehener Gast. Im
gleichen Jahr weihten die Deutschen auf den Grundmauern der Kreuzfahrerkirche
Santa Maria Latina die Erlöserkirche ein. Im Kreuzgang, wo noch Reste
des alten Bauwerks integriert sind, stärken wir uns im Café
bei Tee und Kuchen. Eine weitere Kirche aus dem Kaiserreich, die Auguste
Viktoria, besichtigen wir am Samstag. Sie liegt nicht in der Altstadt,
sondern auf dem gegenüber liegenden Mount Scopus. An ihrer Decke
finden sich nicht nur biblische Motive, sondern auch Bilder der wichtigsten
Kreuzfahrer. Hier zeigt sich das Selbstverständnis des Kaisers als
Schutzherr der Christen im Heiligen Land. Wäre hier nicht eine kritische
Kommentierung angebracht? Aber vielleicht sind wir durch unsere Diskussionen
über den Umgang mit historischen „Altlasten” ja schon übersensibilisiert.
Vom Kirchturm aus hat man eine herrliche Aussicht: Im Osten erahnt man
hinter den Hügeln der judäischen Wüste das Tote Meer. Im
Westen erheben sich die Hochhäuser der Neustadt. Immer wieder sieht
man aber auch die Grenzanlagen, die Palästinenser und Juden voneinander
trennen. Wir werden sie in den nächsten Tagen noch öfters zu
Gesicht bekommen.
Die Grabeskirche
Die bedeutendste Kirche in Jerusalems Altstadt ist sicher die Grabeskirche,
die die Ostkirchen bemerkenswerterweise „Anastastis” (= Auferstehung)
nennen. Anders als bei uns im Westen, wo die Kreuzestheologie im Mittelpunkt
steht, liegt hier der Akzent auf der Auferstehung Christi. Die Anfänge
der Grabeskirche gehen auf Helena, die Mutter Kaiser Konstantins zurück.
Die heute zu sehende Fassade stammt aus der Kreuzfahrerzeit. Unter der
Kirche befinden sich Felsengräber aus dem ersten Jahrhundert. Die
Menschenschlange vor dem angeblichen Jesusgrab ist so lang, dass ich mir
die Besichtigung verkneife. Ich kenne es ohnehin schon von früheren
Besuchen. Die Grabanlage befand sich im ersten Jahrhundert anders als
heute noch außerhalb der Stadtgrenzen. Das spricht für die
Wahrscheinlichkeit, dass hier tatsächlich jener Hügel Golgatha
zu suchen ist, von dem die Evangelien als der Hinrichtungsstätte
Jesu berichten. Heute feiern hier sechs christliche Konfessionen ihren
Gottesdienst, was nicht immer ohne Reibereien abläuft. Etwas mehr
Ruhe haben die äthiopischen Mönche auf dem Dach der Grabeskirche
in ihren kleinen Zellen. Nur über eine kleine, verwinkelte Gasse
gelangt man hier hoch.
Klagemauer und Tempel
Ein weiterer heiliger Ort in der Altstadt ist die Klagemauer, wo sich
Juden aus aller Welt zum Beten versammeln. Heute ist das möglich,
vor dem Sechstagekrieg (1967) ließen die jordanischen Machthaber
Ostjerusalems das nicht zu. Der englische Name „Western Wall” zeigt an,
dass es sich hierbei um die westliche Stützmauer des ehemaligen Tempelareals
handelt. Um die Zeitenwende wurde der Salomonische Tempel von Herodes
aufwändig renoviert. Aus dieser Zeit stammen die großen Quader,
zwischen die die Betenden kleine Zettel („Knittelchen”) mit Gebetsanliegen
stecken. Gerade mal eine Generation später (70 n. Chr.) wurde er
von den Römern zerstört. Seitdem nimmt im Judentum die Toraobservanz
die Stelle ein, die früher der Tieropferkult einnahm. Wo genau das
Allerheiligste des Tempels lag, ist archäologisch nicht mehr mit
letzter Gewissheit zu klären. Deshalb hätte es früher kein
frommer Jude gewagt, den Tempelberg zu betreten. Diese Jahrhunderte lange
Zurückhaltung hat sich in den letzten Jahren geändert, wie uns
Prof. Tomer Persico in einem Vortrag am Schalom-Hartmann-Institute
klar machte. Mit dem Yesha Rabbical Council hat 1996 erstmals ein Gremium
von Rabbinern aus der Westbank Juden aufgefordert, den Tempelberg zu betreten
und damit zu dokumentieren, dass dieser Israel und nicht den Palästinensern
gehört. Was früher halachisch als Todsünde galt, wird heute
mehr und mehr zur Machtdemonstration eines messianisch aufgeladenen Zionismus.
Man fühlt sich erinnert an den Besuch von Ariel Sharon auf dem Tempelberg,
der im Jahr 2000 zum Ausbruch der zweiten Intifada führte. Mehr als
1000 Israelis und über 3000 Palästinenser fanden in der Folge
den Tod.
Felsendom und Al-Aqsa-Moschee
Aber nicht nur für Juden ist der Tempelberg heilig, sondern auch
für Muslime. Viele Zusammenhänge in Blick auf die muslimische
Sichtweise auf Jerusalem im Allgemeinen und den Tempelberg im Besonderen
sind mir erst während unserer Israel-Reise deutlich geworden. Im
Koran kommt Jerusalem (arab. „Al-Quds” = „die Heilige”) nur am Rande vor,
und zwar im Zusammenhang mit der Nachtreise des Propheten. Trotzdem gilt
es als die drittheiligste Stätte der Muslime nach Mekka und Medina.
In Sure 17,1 heißt es: „Gepriesen sei, der seinen Knecht [= Mohammed]
nachts reisen ließ vom heiligen Gebetsplatz (al-Masjid al-Haram;
gemeint: Mekka) bis zum fernsten [Gebetsplatz] (al-Masjid al-Aqsa), um
den herum wir Segen spendeten.“ Der letzte Halbsatz wird von späteren
islamischen Auslegern als Hinweis auf das Heilige Land interpretiert.
Doch fällt auf, dass der Name Jerusalem/Al-Quds hier nicht explizit
ausgesprochen wird. Ist die Rede von dem „fernsten Gebetplatz“ vielleicht
nur ein kosmischer Ort ohne jegliche Mauern, wie Angelika Neuwirth vermutet?
Dann zielte dieser Vers ursprünglich auf die Einsicht, dass Gott
ganz wo anders wohnt als im Tempel. Dazu würde auch die Tatsache
passen, dass die Moschee (anders als Synagoge und Kirche) im Islam nie
als Tempelnachbau gedacht war. Freilich dauerte diese Spiritualisierung
des Tempels nicht sehr lange. Als Scheich Omar im 7. Jhd. Jerusalem erobert,
lässt er auf dem Haram Asch-Scharif (= „das edle Heiligtum“) den
Felsendom als neue Ka´aba erbauen. Die Abmessungen entsprechen ziemlich
genau denen der Grabeskirche. Damit hatte man Mohammed endlich mit Jesus
auf Augenhöhe gebracht. Unweit des Felsendoms befindet sich die Al-Aqsa-Moschee
(Anf. 8. Jhd.). Hierhin pilgern jeden Freitagabend Tausende von Muslimen
zum Gebet. Woran auch die eher rechtsgerichtete Likud-Regierung bisher
nicht zu rütteln wagte: Der Tempelberg blieb nach der Eroberung Ostjerusalems
unter der Verwaltung der Waqf-Behörde.
Diese Stiftung islamischen Rechts, die es schon seit Zeiten des Osmanischen
Großreiches gibt, ist heute dem Ministerium für religiöse
Angelegenheiten in Ramallah unterstellt.
Kidrontal, Garten Gethsemane und
Davidstadt
Wenn man der Menschenmengen in der Altstadt überdrüssig geworden
ist, bietet sich ein kleiner Spaziergang außerhalb der Stadtmauern
an. Das obere Kidrontal wurde in den letzten Jahren von einer jüdischen
Organisation mit Oliven bepflanzt. Der Blick von hier aus auf die „Stadt
aus Gold“ ist fast noch schöner als vom Ölberg. Am Fuß
desselben liegt der Garten Gethsemane, wo Jesus seine letzte Nacht verbracht
haben soll. An Eingang dieses kleinen Vorzeigeparks steht die „Kirche
aller Nationen”. Ob einige der Ölbäume hier wirklich 2000 alt
sind, ist schwer zu beantworten. Mindestens ebenso interessant sind die
imposanten Felsengräber, die man im unteren Kidrontal besichtigen
kann. Zu diesen Monumenten aus herodianischer Zeit gehört auch ein
„Grab Absaloms”, in dem aber wohl nie der Sohn Salomos lag. Von hier aus
ist es auch nicht mehr weit zu dem arabischen Stadtteil Silwan, unter
dem die Reste der ehemaligen Davidstadt vermutet werden. Schon jetzt schlagen
die Ausgrabungen große Wunden in die Wohngebiete, was die betroffenen
palästinensischen Familien auf die Barrikaden treibt. Weitere Enteignungen
werden wohl kaum zu verhindern sein.
Das arabische Jerusalem
Auf der Rückseite des Ölbergs liegt At-Tur, ein weiterer schnell
wachsender arabischer Stadtteil Ostjerusalems. 40% der Einwohner Jerusalems
sind bereits arabisch, bei einer Geburtenrate von 3,6 Kindern pro Ehepaar
kein Wunder. Die Bewohner hier fühlen sich als Bürger zweiter
Klasse. Nur ein kleiner Bruchteil ihrer Steuern fließt in ihre Gebiete
zurück. Die wenigsten von ihnen haben von der Möglichkeit Gebrauch
gemacht, sich einbürgern zu lassen. Zwar gibt es spezielle blaue
ID-Karten, die ihnen Reisen in ganz Israel ermöglichen, diese kann
man aber bei längeren Auslandsaufenthalten leicht wieder verlieren.
In einem dieser arabischen Vororte wohnt auch unser Busfahrer. Von seiner
Familie werden wir am Sonntag zum Mittagessen eingeladen. Es gibt eine
kräftige Suppe, Couscous mit Linsen und Salat. Nach dem Essen wird
ein wunderbarer arabischer Kaffee, verfeinert mit Cardamon, serviert,
dazu gibt es Kuchen. Ein Familienfoto auf der Treppe zum Abschied darf
nicht fehlen.
Auf dem Zionsberg
Zu den religiösen Stätten, zu denen uns Ophir Yarden schon am
Freitag führte, gehört auch der Berg Zion. Der Zion wurde als
pars pro toto zum Inbegriff Jerusalems, obwohl er nur einer der
sieben Hügel der Stadt darstellt. Er liegt außerhalb der heutigen
Stadtmauer und gehört zum Kernstaat Israel in den Grenzen von 1948.
Vor dem Davidsgrab rezitieren orthodoxe Juden in einer Betstube heilige
Texte. Es geht zu wie in der sprichwörtlich gewordenen „Juddeschul“.
Einer von ihnen, wohl ein Chabadnik, bringt den Besuchern bei, in traditioneller
Weise die Gebetsriemen anzulegen. Das Davidsgrab ist historisch ebenso
dubios wie der gothische Abendmahlsaal, der von den Franziskanern im 14.
Jhd. erbaut wurde. Deutlich erkennt man an den Fenstern und der Gebetsnische,
dass sich hier in der Zeit Süleymans eine Moschee befand. Drei Religionen
leben hier auf engstem Raum ihren Glauben, ohne sich dabei in die Quere
zu kommen. Auch das gibt es.
Gelebtes Judentum am Erev Schabbat
Am Freitagabend sind wir KLAK-Leute zur Begrüßung des Schabbat
in einer Synagoge in dem südlichen Stadtteil Baq´a eingeladen.
Die Gemeinde Kehilat Yedidya bezeichnet sich selbst als modern-orthodox.
In ihrem Statement of Priciples, das am Eingang ausliegt, kann man nachlesen,
was das bedeutet: Man lebt nach der Tora, aber dieses Leben darf niemals
verknöchern. Nach dem Erev Schabbat-Gottesdienst (= Freitag-Abend),
bei dem man die Königin Schabbat begrüßt, werden wir paarweise
Familie zugeteilt. Hier verbringen wir einen wunderbaren Abends mit interessanten
Gesprächen. Mein Kollege und ich landen bei einer aus Amerika zugewanderten
Familie, was die Verständigung erleichtert. Die Themen, die wir diskutieren,
reichen von politischen über sozialen bis zu religiösen Fragen.
Der Vater hat hervorragend gekocht, trotzdem gibt es noch Reste, als wir
am späten Abend wieder zum Hotel zurück laufen.
Hawdala-Zeremonie und Ma´alit
Schabbat
Das Schabbatende am Samstagabend erleben wir in einer konservativen Synagoge
in Ramot Zion. Die geflochtene Hawdala-Kerze wird in einer Pfütze
Wein ertränkt. Man riecht an der Besamimbüchse mit ihren verschiedenen
Gewürzen. Die Hoffnung ist, etwas von dem Wohlgeruch des Schabbat
(nicht nur der Gewürze) mit in den Alltag hinüberzuretten. Nach
der Zeremonie dürfen wir einem Konzert in der Syangoge beiwohnen.
Es werden Texte des aus dem mittelalterlichen Spanien stammenden Rabbi
Ibn Esra vertont. Vor der Zeremonie ist uns schon eine kurze Studieneinheit
mit Prof. Dalia Marx zuteil geworden, einer liberalen jüdischen Theologin,
die am Hebrew Union College lehrt. Sie referierte über Jerusalem
in den jüdischen Gebetbüchern (Siddurim). War das keine Arbeit
für sie? Nein, denn die jüdische Halacha erlaubt ausdrücklich
Gespräche über Glaubensfragen. Apropos Halacha: Wie kommt man
am Feiertag in den 17. Stock eines Hochhauses? Mit dem Ma´alit Schabbat,
einem speziell programmierten Aufzug, der überall anhält. Man
muss keinen Knopf drücken, nur warten. Für observante Juden
ist das hilfreich, denn „Feuer machen“ ist verboten, also auch die Verwendung
von Elektrizität. Auch in unserem Hotel ist ein solcher Aufzug eingebaut.
Wir Goijim drücken trotzdem auf den Knopf. Wir dürfen das –
oder auch nicht?
Ein geteiltes Land: Die Westbank
Die besetzten Gebiete
Am Sonntag zieht unsere ganze Gruppe um in die Westbank, das sog. Westjordanland,
das Israel seit 1967 besetzt hält. Palästinenser und Juden beanspruchen
beide das Land. Beide behaupten seit Jahren, dass sie bereit sind zu Verhandlungen.
Beide schieben der Gegenseite die Schuld zu, dass es dazu nicht kommt.
Hass, Furcht und Misstrauen bestimmen den Alltag der beiden Bevölkerungsgruppen.
Immer wieder kommt man an Checkpoints vorbei, sieht Stacheldraht und israelische
Militärstützpunkte. Wir haben Glück und kommen reibungslos
durch am Grenzübergang, ein Palästinenser braucht hier sicher
länger. Seit dem Osloer Abkommen ist die Westbank in drei Zonen A,
B und C eingeteilt. In der A-Zone liegen die meisten palästinensischen
Wohngebiete, hier hat die Autonomiebehörde relativ weitgehende Kompetenzen.
Aus Sicherheitsgründen untersagt der Staat Israel seinen Bürgern
den Zutritt zu diesen Gebieten. Dass dies nicht ganz unbegründet
ist, zeigen die Messer- und Steinwurfattacken, die immer wieder zu Todesopfern
führen.
Back to the Roots
Das Plakat einer palästinensischen Behörde, das mir am Straßenrand
entgegen prangt, propagiert ein „Groß-Palästina“ vom Jordan
bis zum Mittelmeer. Der Staat Israel kommt hier nicht vor. Leider gibt
es auch israelische Karten, in denen es keine „grüne Linie” - so
nennt man die Waffenstillstandslinie von 1967 - gibt. Ob und wie sich
diese Alles-oder-nichts-Positionen in einem künftigen Abkommen versöhnen
lassen sollen, steht in den Sternen. Aber es gibt Menschen, die die Hoffnung
nicht aufgeben, oder besser gesagt: Menschen, die auf den anderen zugehen,
weil sie schlicht nichts mehr zu verlieren haben. Solche Leute besuchen
wir. Da ist zum Beispiel Sha´ul Judeman, der die Initiative „Roots”
begründet hat, die sich um Verständigung zwischen Palästinensern
und jüdischen Siedlern bemüht. Fast zwei Stunden lauschen wir
ihren Lebensgeschichten, es ist mucksmäuschenstill. Sha´ul
wuchs in den USA in einer säkularen Familie auf. Als er sein Jude-Sein
entdeckte, zog er für sich den Schluss, in das „Land der Väter”
zu emigrieren. Doch sein Leben hier im Siedlungsblock Gush Etzion in den
Bergen Judäas hatte er sich anders vorgestellt. Das Nebeneinander
von Juden und Palästinensern ist geprägt von Hass und Misstrauen.
Zweimal schon wurde Seine Frau Opfer einer Messerattacke, nur mit viel
Glück überlebte sie. Diese Angst war das eine, was Sha´ul
prägte. Das andere war das Vorbild seines Rabbiners Menachem Froman,
der ihm an der Yeshiva beibrachte: „Hass ist wie Idolatrie”. Und ein Götzendiener,
das wollte Sha´ul auf keinen Fall sein.
Zwei Staaten, eine Heimat
Ähnlich frustriert war auch der Palästinenser Chaled Abu Awad,
als er sich Roots anschloss. Nichts war mehr übrig von der anfänglichen
Euphorie, die das Friedensabkommen von Oslo ausgelöst hatte. Er und
seine Familie verbrachten die besten Jahre ihres Lebens in israelischer
Haft. Sie galten als tapfere Kämpfer gegen die Besatzer, als sie
von heute auf morgen ihre Strategie änderten. Den Impuls dazu gab
seine Mutter, eine der Ikonen der ersten Intifada. Wie Sha´ul erkannten
auch sie, dass durch Gewalt kein Frieden zu erlangen ist. Früher
war sein Standpunkt: „Wir oder sie”, heute sagte er: „Wir gehören
zu diesem Land, aber das Land gehört nicht uns.” Als im Jahr 2000
Chaleds Bruder Yusuf ermordet wurde, erlebte er, wie jüdische Siedler
zur Trauerfeier kamen. Er konnte kaum glauben, was er sah: „Der Feind
weint und hört deiner Geschichte zu”. Dieses Erlebnis löste
eine „innere Revolution” bei ihm aus, denn er erkannte: Wenn wir wirklich
etwas erreichen wollen, dürfen wir nicht auf die Politik warten.
Wir müssen mit dem Frieden hier vor Ort beginnen, müssen mit
kleinen Gesten Vertrauen schaffen. Seine Vision (und die von Sha´ul):
Zwei Staaten, eine Heimat. Die Zwei-Staaten-Lösung, so sagen die
beiden, kann man vergessen. Längst ist die Westbank von Siedlungen
durchsetzt, das lässt sich nicht mehr rückgängig machen.
Deshalb bleibt als Lösung nur noch eine Konföderation zweier
unabhängiger Staaten auf demselben Territorium. Kann dieser Traum
funktionieren, Mauer, Zäune und Checkpoints einfach wegzuräumen?
Menschen, die zutiefst verfeindet sind, wieder zusammenbringen? Man hat
das Gefühl, hier an der Basis bewegt sich etwas. Wird die Euphorie
von Initiativen wie Roots ausreichen, um Wunder zu bewirken (und nicht
weniger wäre nötig!)?
Talita
Kumi
„Talitha kumi” (= „Mädchen, steht auf”) sagt Jesus (Mk 5,41). Und
das Wunder geschieht: Das Kind steht auf, es lebt. Der Name der evangelischen
Auslandsschule bei Bet Jala ist gut gewählt, verleiht sie doch vielen
Kindern in der Westbank wenigstens eine kleine Aussicht auf ein Leben
in Würde. Das ist alles andere als selbstverständlich hier.
Die Wertschöpfung in den Autonomiegebieten erreicht nicht einmal
10% derjenigen in Israel. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei fast 60%,
Alkohol- und Drogenprobleme sind die Folge. Nirgends habe ich in einem
arabischen Land so viel Liquor-Shops auf engstem Raum gesehen wie hier
in Bet Jala. Nicht, dass es hier kein Geld gäbe. Zwischen viel Armut
und Müll habe ich auch mehrstöckige Villen mit mehreren Nobelkarossen
davor gesehen. In den Palästinensergebieten verfügen 10% der
Einwohner über 61% aller Einkommen. Die Besatzung ist ein Teil des
Problems, erschwert sie doch den Handel, für eine solche Einkommensschere
aber ist sie nicht verantwortlich. Wird es der nächsten Generation
gelingen, etwas daran zu ändern? Nicht zuletzt auf eine solide Ausbildung
wird es dabei ankommen. In dieser Hinsicht leistet Talitha Kumi vorbildliche
Arbeit.
Anti-Normalisierung
Die Schule wurde im Jahr 1851 sie von Theodor Fliedner, dem Vater des
Diakoniewerks in Kaiserswerth, gegründet. Heute ist das Berliner
Missionswerk Träger der Einrichtung, die gerade vom Bundespräsidenten
zu einer „Exzellenten Deutsche Auslandsschule“ erklärt worden ist.
Die Erziehung hier zielt auf „die Vermittlung elementarer Werten wie Freiheit,
Demokratie, Pluralismus, soziale Gerechtigkeit, Gleichberechtigung und
Umweltbewusstsein sowie auf den Aufbau internationaler und friedlicher
Beziehungen.” In der Tat wird fördert Talitha Kumi durch viele Initiativen
das Zusammenleben von Jungen und Mädchen, von Christen und Muslimen.
Aber ein Dialog mit Juden ist durch Gesetze von beiden Seiten fast unmöglich
geworden. Das einzige noch stattfindende Treffen von Schülern aller
drei Religionen findet in Deutschland statt. Dazu kommt eine wachsende
Abneigung von palästinensischer Seite, mit „den Besatzern“ überhaupt
noch zu reden. Manche Anhänger der „Anti-Normalisierungsbewegung”
schrecken auch vor Gewalt nicht zurück. So schreibt der Schulleiter
Rolf Lindemann, mit dem wir uns am Abend unserer Ankunft in Bet Jala unterhalten
konnten, dass immer wieder Molotowcocktails auf das Schulgelände
fliegen, wenn die Annäherung an „den Feind“ zu groß erscheint.
Dabei wäre die Begegnung mit „ganz normalen Juden“ so wichtig. Das
zeigt die traurige Anekdote, die Lindemann in der Zeitschrift
des Jerusalemsvereins wiedergibt: Vor einiger Zeit war eine amerikanische
Reisegruppe im Gästehaus untergebracht, zu der auch ein Jude gehörte,
der eine Kippa trug. Als Schüler ihn auf dem Schulgelänge herumspazieren
sahen, schlugen sie Alarm. Denn Juden, die nicht gefährlich sind,
kannten sie offenbar nicht.
Tent
of Nations
Folgt man der Straße in Richtung Hebron weiter nach Süden erreicht
in der Nähe von Neve Daniel einen landwirtschaftlich genutzten Hügel,
dessen Zufahrt seit 2001 durch Felsblöcke behindert wird. Als wir
die letzten Meter zu Fuß dort hin laufen, stoppt uns eine Militärstreife.
Nach kurzer Befragung dürfen wir passieren. Dies ist nur eine der
Schikanen, mit denen sich die Brüder Daoud und Daher Nassar seit
Jahren herumschlagen müssen. Ihr Problem: Die 45ha großen Felder
liegen inmitten von fünf jüdischen Siedlungen in der C-Zone.
Die Militärverwaltung lässt nichts unversucht, die Familie von
dort zu vertreiben. Doch diese wehrt sich, untypisch für die Region,
mit friedlichen Mitteln. Auf einem Stein steht das Motto, dem sie sich
als Christen verpflichtet fühlen: „Wir weigern uns, Feinde zu sein.“
Die Familie kann den Besitz des Grundstücks zum Glück lückenlos
durch Verträge nachweisen, bis zurück ins Osmanische Großreich.
Trotzdem wäre sie ohne fremde Hilfe durch die hohen Prozesskosten
schon ruiniert. Vor Jahren hat das Militär Daoud Hunderte von Ölbäumen
zerstört. Dagegen hat er erfolgreich geklagt, die zugesagte finanzielle
Wiedergutmachung aber steht bis heute aus. Unsere Gruppe pflanzt symbolisch
einen Ölbaum, obwohl die Jahreszeit denkbar ungünstig dafür
ist. Daoud ist dankbar für die Unterstützung aus aller Welt,
an der sich auch jüdische Einrichtungen beteiligen.
Licht für die Völker
Am vorletzten Tag fahren noch einmal fast 200km quer durch Israel, nach
Westgaliläa. In der Nähe der Hafenstadt Akko haben Deutsche
und Holländer, die Israel nach der Staatsgründung (1948) bei
Aufbau helfen wollten, eine landwirtschaftliche Siedlung gegründet.
Anfangs überwog unter der einheimischen Bevölkerung das Misstrauen
gegen „die Deutschen“, denen man eine Baugenehmigung verweigerte. So lebte
man zunächst in einem Bus, den man nach und nach ausbaute. Ein Rabbiner,
der sich vor Ort einen Eindruck verschaffte, überwand seine und die
Zweifel seiner Mitbürger. „Nes
Ammim“, Licht für die Völker, wie die Siedlung übersetzt
heißt, baute früher Rosen an, heute lebt man hauptsächlich
vom Tourismus. Viele Jugendliche aus Deutschland absolvieren hier ihr
freiwilliges soziales Jahr. Sie helfen so mit, das Dialogprogramm zu finanzieren,
das durch die Einrichtung angeboten wird: Juden und Palästinenser
lernen einander kennen - und manchmal auch schätzen. Wie wir in einem
Gespräch mit zwei Erziehern (einem Juden und einem Palästinenser)
erfahren, funktioniert das nicht immer ohne Komplikationen in einer Gesellschaft,
in der die beiden Bevölkerungsgruppen weitgehen isoliert nebeneinander
her leben. Sie besuchen unterschiedliche Schulen, sprechen verschiedene
Sprachen, wohnen meist in unterschiedlichen Dörfern oder Vierteln.
Erst im Studium bietet sich zuweilen die Gelegenheit, Menschen der anderen
Seite kennenzulernen. Dann ist es für eine Revision tief sitzender
Vorurteile oft schon zu spät.
Wo aber Gefahr ist, wächst
das Rettende auch
Leider muss ich mich von den andren KLAK-Delegierten schon einen halben
Tag vor Konferenzende verabschieden. Ich habe einen Rückflug schon
am frühen Nachmittag gewählt, damit ich morgen wieder an der
Schule sein kann. Ich werde meinen Schülerinnen und Schülern
viel zu erzählen haben. Die Zugfahrt zum Flughafen verläuft
entlang des aufgepeitschten Mittelmeers. Hier in der Ebene wird einem
noch einmal die enorme Wirtschaftskraft des Landes Israel vor Augen geführt.
Immer wieder passieren wir gewaltige Industriegebiete, gerade in der Umgebung
der Hafenstadt Haifa. Wir kommen vorbei an Kraftwerken, Fabriken und Lagerhallen.
Israel hat den höchsten Lebensstandard im Nahen Osten und den fünfthöchsten
in Asien. Und trotzdem gibt es hier auch hier arme Leute: überwiegend
Ultraorthodoxe Juden und Araber. Eine Taube huscht am Zugfenster vorbei.
Ich erkenne sie erst zu Hause, als ich die Bilder auf meinem Handy anschaue.
Wird es mit dem Frieden im Nahen Osten vielleicht ähnlich sein: Wir
erkennen ihn erst, wenn er schon da ist? Momentan sind alle Kenner der
Region skeptisch, alles spricht gegen eine schnelle Lösung der Probleme.
Die von Donald Trump neu angeheizte Jerusalem-Debatte lässt gar eine
neue Intifada befürchten. Andererseits habe ich in dieser Woche viele
spannende, zukunftsweisende Projekte gesehen. Noch repräsentieren
die Menschen, denen wir begegnet sind, eine Minderheit in diesem Land.
Aber vielleicht hat Hölderlin mit seinem viel zitierten Spruch doch
recht: „Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch!“
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