Judenverfolgung im rheinischen Raum
zur Zeit des 1. Kreuzzuges (IV)

von Holger Müller

Die Soldaten des Burggrafen hielten länger stand, als die des Erzbischofs. Aber schließlich fiel auch die Anlage des Burggrafen unter dem Ansturm der Kreuzfahrer. Überlebende gab es keine, die meisten Juden wählten den Tod durch eigene Hand.

Emichos Männer wüteten auch im Judenviertel, wo sie jedes Haus durchsuchten und dabei wohl auch einige in Brand steckten. Ein Jude, der gewaltsam getauft worden war, soll angeblich sein Haus und die Synagoge angezündet haben, um zu verhindern, dass das Gotteshaus geschändet und in eine christliche Kirche umgewandelt werden würde. Er soll sich mit seiner Familie in der Synagoge verbrannt haben. Das ganze Viertel stand in Flammen. Immer wieder griffen in der Nacht Kreuzfahrer Menschen, ob Juden oder Christen, auf. Wenn sie nicht beweisen konnten, dass sie keine Juden waren, wurden sie getötet. Den Männern und Jungen riss man zum Beweis einfach die Hosen herunter, um zu sehen, ob sie beschnitten waren, den Frauen und Mädchen forderte man ein christliches Bekenntnis ab und forderte sie auf, den jüdischen Glauben zu verfluchen. Oftmals wurden sie noch vergewaltigt, bevor man sie umbrachte.

Die Juden, die das Massaker in der Bischofsresidenz überlebt hatten, fanden bei einem christlichen Fernhändler Zuflucht. Noch in der Nacht schickte Bischof Ruthard aus Rüdesheim, wohin er geflohen war und wo er dreihundert gepanzerte Soldaten um sich geschart hatte. Er schickte seinen Hauptmann mit einer Abteilung Soldaten. Sie kamen über den Rhein nach Mainz. Der Bischof bot den Juden nochmals Aufnahme und Schutz in seiner Residenz in Rüdesheim an.

Das Schicksal der etwa 53 Personen, die im Secretarium Zuflucht gefunden hatten und so dem Massaker entkommen waren, ist gut dokumentiert, auch wenn die hebräischen Augenzeugenberichte der wenigen Überlebenden in einigen Details abweichende Aussagen enthalten. Als gesichert gilt jedoch, dass der Vorsteher der jüdischen Gemeinde in Mainz, Rabbi Kalonymos ben Meschullam, mit seiner Familie und den anderen Juden Rüdesheim noch in der selben Nacht erreichte. Dort nahm Erzbischof Ruthard sie in seine Residenz auf und schwor ihnen erneut, sie notfalls mit Waffengewalt vor weiterer Verfolgung zu bewahren.

Als die Kreuzfahrer und ein Teil der Rüdesheimer Bevölkerung davon erfuhren, vor die Bischofsresidenz zogen und Ruthard drohten, auch in diesen Palast mit Gewalt einzudringen und ihn dafür büßen zu lassen, dass er die Partei der Juden ergriff, verließ ihn jedoch wieder der Mut. Er nahm seinen Treueschwur zurück, ließ Rabbi Kalonymos rufen und teilte ihm mit, dass er sie ferner nicht retten könne. Er stellte sie wieder vor die Wahl Tod oder Taufe. Über die weiteren Ereignisse geben die Aufzeichnungen aus jener Zeit unterschiedliche Auskünfte. Einige Quellen berichten, Rabbi Kalonymos habe mit seinen Gefährten besprochen, was nun zu tun sei, und schließlich hätten auch sie beschlossen al kiddusch haschem, den Freitod zur Heiligung des göttlichen Namens, zu wählen. Der Rabbi soll zuerst zum Messer gegriffen haben und seinen Sohn Mar Joseph getötet haben. Als der Bischof davon erfuhr, reagierte er mit großer Empörung und erklärte, dass er ihnen nun nicht mehr helfen wolle. Er tat also so, als hätte er ihnen doch noch geholfen, um so seine Hände in Unschuld waschen zu können. Daraufhin soll Rabbi Kalonymos versucht haben den Bischof zu töten, er wurde jedoch bei dem Versuch erschlagen. In anderen Quellen findet sich dieser Angriff auf den Bischof nicht. Nach ihnen soll Rabbi Kalonymos gleich nach dem Tod seines Sohnes rituellen Selbstmord begangen haben. In wieder anderen Quellen findet sich die Vermutung er sei im Wald auf der Flucht von seinen Verfolgern erschlagen worden. Fest steht jedoch, dass er mit dem Großteil seiner Gefährten um den 1. Juni 1096 den Tod fand. Nur ganz wenige Mainzer Juden überlebten diese tagelangen Massaker im Mai 1096.

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