Spurensicherung - Lebenslauf einer Ingenheimer Jüdin
Teil 3

Egal, ob lebend oder tot
Die Deportation nach Theresienstadt

Am 4. März 1945 kam dann der erste Schlag für unsere Familie. Mein Vater wurde abtransportiert, dazu kam, dass man uns noch nicht mal in Kenntnis setzte, wohin sie ihn eigentlich bringen werden. Fünf Tage später traf uns dann das nächste Unglück, die Gestapo nahm mich und meine Mutter mit. Gerade als wir uns noch schnell die nötigsten Sachen zusammen rafften, klingelte das Telefon und ein Freund teilte uns mit, dass sich mein Vater im Arbeitslager in Dannstadt befindet. Erst einmal waren wir froh, dass wir wussten, was mit ihm geschehen war. Meine Mutter und ich hatten jedoch keinerlei Ahnung, was mit uns passieren würde.

Ehemal. Gestapogefängnis Neustadt/Wstr.
Konrad-Adenauer-Straße 10

Am ersten Tag transportierte man uns nach Neustadt, wo wir im Gefängniskeller der Gestapo, voller Flöhe und Filzläuse, übernachten mussten. Von da ab gelangten wir, mit etwa fünfzig anderen Menschen jüdischer Abstammung in einem Viehwaggon eingepfercht, weiter. Keiner von uns hatte gewusst, wohin die Reise ging. Einmal fiel die Bemerkung eines Mitgefangenen, dass wir nach Theresienstadt kommen könnten. Ich war ganz bestürzt, als ich das hörte, denn für mich war Theresienstadt "spanische Dörfer", ich wusste nicht, was das bedeutete.

Am dritten Tag, wir übernachteten in Würzburg, waren wir furchtbaren Fliederangriffen ausgesetzt. Unsere Bewachung ließ uns einfach in dem Waggon eingeschlossen auf dem Hauptbahnhof stehen und zog sich in einen Luftschutzbunker zurück. Es war reiner Zufall und Gottes Wille, dass wir nicht getroffen wurden.

Auf dem weiteren Transport wurde eine Frau aus Ludwigshafen totkrank, wir versuchten sie aus dem Viehwaggon herauszuschleußen. Doch unsere Transportbegleitung, zwei SS-Männer, machte uns sofort klar, dass sie den Befehl hatte, alle Juden, ob lebend oder tot, an unser Ziel zu bringen. Nach acht Tagen, es war für mich als ob es ein Jahr war, sind wir tatsächlich in Theresienstadt angelangt. Theresienstadt war eine frühere Festung von Maria Theresia in der Nähe von Prag. Jetzt war es eine Stadt mit riesigen Kasernen eingefriedet, die alle ihren individuellen Namen trugen. Das Lager war durch einen Park getrennt, in einem Teil lebten die SS-Leute mit ihren Familien, im anderen Teil waren die Juden untergebracht.

Bei der Ankunft mussten alle, ohne Rücksicht auf Geschlecht und Alter, durch eine Schleuße und sich nackt ausziehen. Nur die allernötigste Nahrung blieb uns. Alle unsere mitgeführten Wertsachen nahm man uns ab, einschließlich die von unseren Nachbarn vor dem Transport mit auf den Weg gegebene Nahrung, Wurst und Brot, welche mindestens noch für weitere vier Wochen ausgereicht hätte.

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Links zum jüdischen Leben in Ingenheim

Die Reichspogromnacht in Ingenheim, aus einem Vernehmungsprotokoll
Spurensicherung - Lebenslauf einer Ingenheimer Jüdin im Dritten Reich
Kurzinformationen über die Synagoge in Ingenheim

Hier etwas über Anselm Schopflich Lévi; einen Rabbiner Ingenheims (19. Jhd.)
Hier finden Sie Bilder und weitere Informationen zum jüdischen Leben in Ingenheim.
Weitere hilfreiche Materialien und Bilder auch unter http://www.alemannia-judaica.de/ingenheim_synagoge.htm (externer Link)