Geschichte der Juden in der Pfalz - vier exemplarische Prortraits

Teil 2: Anselm Schopflich Lévi
Teil 1: David Ben Meschulam aus Speyer
Teil 3: Lore Metzger, geb. Scharff

Teil 4: Jana Kamenetzki aus Kaiserslautern

von Stefan Meißner


Ingenheim an der Südlichen Weinstraße

Wir springen in die Neuzeit, in ein kleines Dorf in der Südpfalz namens Ingenheim. Dieses Ingeheim ist eines der Dörfer in der Pfalz, in denen sich das Landjudentum zu einer erstaunlicher Blüte entwickelte. Dort wirkte zu Beginn des 19. Jahrhunderts ein Rabbiner namens Anselm Schopflich Lévy. Als dieser 1773 im Elsass geboren wurde, lebten in Ingenheim schon 206 Juden (Zählung vom 10.4.1784), deren Zahl bis zu seinem Tod bis auf 578 anwuchs, sich also innerhalb einer Generation mehr als verdoppelte. Lévy kam aus Jebenhausen, einer der größten jüdischen Gemeinden Württembergs, bevor er mit über 50 Jahren in die Südpfalz kam.

Die Südfalz gehörte damals zum französischen Unterelsass und profitierte von den bürgerlichen Freiheiten, die nach der Französischen Revolution auch für die jüdische Bevölkerung galten. Lévy scharte in Ingenheim bald einen beachtlichen Kreis von Studenten um sich, die ihm wegen seiner orthodoxen Gelehrsamkeit nach Ingenheim gefolgt waren. Er war ein Mystiker, der im Kerzenschein mit seinen Schülern aus dem geheimnisvollen „Buch des Glanzes“ (Sohar) las, dessen aramäisches Idiom er wie nur wenige seiner Zeit beherrschte. Dass einer seiner beiden Söhne nach Mannheim zog, um sich dort ausbilden zu lassen, erfüllte ihn mit tiefer Sorge. War dort doch der Geist der Haskala, der jüdischen Aufklärung eingezogen. Immer größere Teile des Gottesdienstes wurden im 19. Jhd. auf Deutsch abgehalten, später fand sogar eine Orgel Einzug in die Mannheimer Synagoge.

Den Streit zwischen liberalen „Örglern“ und orthodoxen „Nörglern“, der ab der Mitte des 19. Jahrhunderts viele Gemeinden spaltete, erlebte Lévy nicht mehr mit. Wohl aber musste er mit ansehen, wie sein anderer, in Würzburg studierender Sohn starb. Sodann machte sich bemerkbar, dass die Bayerische Regierung, die seit 1816 das Sagen in Ingenheim hatte, einen Teil der politischen Freiheiten wieder einschränkte. So mussten die Rabbiner jetzt wissenschaftlich gebildet und bayrische Staatsbürger sein. Beides traf auf Anselm Lévy nicht zu. Er musste Ingenheim wieder in Richtung Elsass verlassen, später wurde er Rabbiner in Hagenau, wo er 1846 im Alter von 73 Jahren verstarb. Dass nur fünf Jahre nach seinem Tod (1851) auch in der Pfalz die letzten Ausnahmegesetze für Juden fielen, hätte er am Ende seines Leben wohl nicht für möglich gehalten. Ebenso wenig die Tatsache, dass seine frühere Gemeinde Ingenheim von 1869 bis 1884 sogar einen jüdischen Bürgermeister haben würde, der nicht nur unter Juden, sondern auch unter Christen hoch angesehen war.

Literatur
Moses Judah Jakobovits: Vier Generationen der Rabbinerfamilie Levi-Schopflich, La Tribune Juive, 1938 - 34 Seiten

Uri Kaufmann: Anselm Schopflich Lévy, Rabbiner in Ingenheim (Pfalz), in: Jüdische Lebensgeschichten aus der Pfalz, hg. vom Arbeitskreis zur neueren Geschichte der Juden in der Pfalz, Speyer 1995, S. 55-60

Links zum Pfälzischen Judentum


Bernhard Kukatzki: Das pfälzische Judentum: Vom Beginn der Neuzeit bis zur Franzosenzeit

Links zum jüdischen Leben in Ingenheim

Spurensicherung - Lebenslauf einer Ingenheimer Jüdin im Dritten Reich
Kurzinformationen über die Synagoge in Ingenheim
Hier etwas über Anselm Schopflich Lévi; einen Rabbiner Ingenheims (19. Jhd.)
Die Reichspogromnacht in Ingenheim, aus einem Vernehmungsprotokoll
Hier finden Sie Bilder und weitere Informationen zum jüdischen Leben in Ingenheim.
Weitere hilfreiche Materialien und Bilder auch unter http://www.alemannia-judaica.de/ingenheim_synagoge.htm (externer Link)