Geschichte der Juden in der Pfalz - vier exemplarische Prortraits

Teil 3: Lore Metzger, geb. Scharff
Teil 1: David Ben Meschulam aus Speyer
Teil 2: Anselm Schoflich Lévi
Teil 4: Jana Kamenetzki aus Kaiserslautern

von Stefan Meißner

Unter der Oberfläche freilich lebte der böse Geist des Judenhasses weiter, auch in der vergleichsweise liberalen Pfalz. Hier und da flammte er immer wieder auf, um dann im Dritten Reich ein Inferno zu entfesseln, das jüdisches Leben in Deutschland auf Dauer zu zerstören schien. Von dieser dunklen Zeit will ich ihnen am Beispiel einer Landauer Jüdin berichten, die zwar den Holocaust überlebte, die aber durch die Judenhetze der Nazis nicht nur ihre Heimat, sondern viele Freunde und Angehörigen verlor. Die Rede ist von Lore Metzger, geb. Scharff, der Frau des letzten Landauer Rabbiners Dr. Kurt Metzger. Lore Scharff stammt aus einer gutbürgerlichen jüdischen Familie, die eine Ledergroßhandlung betrieb. Die Scharffs fühlten sich wie die meisten Juden als gute Deutsche: Schon der Großvater hatte im Krieg von 1870/71 gedient und ihre Eltern erhielten für ihre Verdienste im Ersten Weltkrieg sogar Auszeichnungen vom Staat.

Auch Tochter Lore verbrachte ihre Kinder- und Jugendjahre „im Gefühl der Sicherheit und des Dazugehörens“, wie sie später selbst sagte. Dieses Gefühl sollte sich allerdings schlagartig ändern durch Hitlers Machtergreifung 1933. Lore war gerade einmal 12 Jahre alt und besuchte die höhere Töchterschule. Aber an die Schilder, die ihr als Jüdin den Eintritt zum Tierpark, dem Schwimmbad oder den Gaststätten untersagte, erinnert sie sich auch nach Jahren noch genau. Ebenso an die Schmierereien an den Wänden jüdischer Geschäften und die üblen Nachreden, denen man als Jude immer mehr ausgesetzt war.

Ihr nachhaltigstes Erlebnis aber wurde die Reichspogromnacht, die auch in Landau mit brutaler Härte tobte und die der Familie Scharff deutlich vor Augen führte, dass für sie in diesem Land kein Platz mehr war. Der 10. November begann für sie damit, dass die Hausangestellte sie frühmorgens aus dem Schlaf riss und sagte: "Wenn du die Synagoge noch einmal sehen willst, eil' dich, denn die Synagoge brennt lichterloh!" Zitternd und ohne Mantel lief sie in Richtung der Synagoge, wo sie fassungslos mit ansehen musste, wie das jüdische Gotteshaus ein Opfer der Flammen wurde. Als sie nach Hause kam, um alles ihren Eltern zu erzählen, wurde die 17-Jährige Zeuge, wie ihr Vater verhaftet und die ganze elterliche Wohnung verwüstet wurde. Weil die Auswanderung, nach anfänglichem Zögern, bereits vor der Pogromnacht in die Wege geleitet wurde, gelang der Familie dann auch recht schnell die Flucht in die USA. Ihnen blieb erspart, was für so viele Pfälzer Juden dann kam: Die Deportation im Oktober 1940 in das südfranzösische Lager Gurs am Rande der Pyrenäen, 1942 dann Auschwitz oder andere Lager im Osten.

Dass sich Lore und Kurt Metzger nach dem Krieg unermüdlich für die Aussöhnung zwischen Christen und Juden einsetzten, immer wieder auch in das „Land der Täter“ kamen, ist nach dem Erlebten alles andere als selbstverständlich. Aber unser Beispiel macht deutlich, dass Zwietracht und Hass nicht das letzte Wort haben müssen. Es gibt Kontakte, es gibt einen Dialog über die Gräben des Holocaust hinweg. Auch in unserer Region. Hitler hat nicht gesiegt. Das ist die gute Nachricht inmitten der vielen schmerzhaften Erinnerungen, die an einem Tag wie dem 9. November natürlich Aufmerksamkeit verdienen.

Links
Sven Siener: Reichspogromnacht - Reichskristallnacht
Synagoge Landau
Das Frank-Loebsche Haus in Landau
Folgen Sie uns auf einem kleinen Bilder-Rundgang durch das jüdische Landau
Info-Materialien für einen Rundgangdurch das jüdische Landau (große pdf-Datei!) finden Sie hier...
Stolpersteine in Landau

Bild: Versöhnung. Erinnerungen und Gedanken in die Zukunft, 1990