Die Bedrängnisse Bad Dürkheimer Juden in der Nazizeit und die Ereignisse in der „Kristallnacht“ 1938von Georg Feldmann |
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Nachstehend soll daher lediglich über die Ereignisse zur Zeit des Nationalsozialismus, die schließlich ihren Höhepunkt in der sog. „Kristallnacht“ im Jahr 1938 fanden, berichtet werden. Nur mit großer Erschütterung - besonders wenn man z. T. selbst Zeuge jener Untaten war, kann man heute noch nach über 50 Jahren sich an diese Begebenheiten erinnern und darüber sprechen. Die verschiedenen Schikanen, Bedrängnisse und Bedrückungen,denen die Juden seit der Machtübernahme Hitlers ab dem Jahr 1933 ausgesetzt waren, wurden in Presse und Literatur ausführlich behandelt. Beispielhaft seien hier nur genannt: Entfernung jüdischer Beamter aus dem öffentlichen Dienst, Boykottierung jüdischer Geschäfte, ab 1938 Verbot der Führung von Geschäften und Handwerksbetrieben, Entfernung jüdischer Kinder aus den deutschen Schulen, Auflösung aller jüdischer Betriebe, Einführung des Judensterns. Ab September 1942 erhalten die Juden kein' Fleisch, keine Eier und keine Milch mehr, ihre Häuser werden ihnen abgenommen. Nun zu den besonderen Ereignissen in Bad Dürkheim: Es war im Sommer oder Herbst 1935, den genauen Tag weiß ich heute
nicht mehr. Ich hatte wieder einmal einen Besucher anzumelden. Da IMBT
gerade telefonierte, wollte ich mich zurückziehen, er aber bedeutete
mir dabeizubleiben, weil das Gespräch gleich zu Ende war. Ich wurde
dadurch unfreiwillig Zuhörer der letzten Gesprächsfetzen, wie
IMBT sagte: Also, Pg. ..., ich bin zwar als Bürgermeister Ortspolizeibeliörde,
aber ich weiß von nichts. Nun, ich wurde etwas stutzig, konnte mir
aber keinen Reim aus diesen Worten machen. Am Abend des gleichen Tages
besuchte eine Bekannte meine Eltern. Ein Verwandter von ihr war bei der
SA und sie sagte: Stellt Euch vor, heute abend um 9 Uhr haben SA und SS
Geheimantreten in Räuberzivil vor dem Nach dem Krieg hat STRENGERT die Stadt 'auf Schadenersatz verklagt, weil sie szt. als Ortspolàizelbehörde in den Tumult nicht eingegriffen hat und der Hauptinitiator nicht mehr am Leben war. Die Sache endete mit einem Vergleich, und die Stadt mußte an Strengert eine bestimmte Geldsumme, damals noch in Reichsmark, zahlen[6]. Bemerkt sei noch, daß Richard IMBT später als Oberbürgermeister von Kaiserslautern (von 1938 bis April 1945) der Hauptverantwortliche für die Sprengung der dortigen Synagoge am 17. September 1938 war[7]. Ein weiteres Beispiel der antijüdischen Einstellung in Bad Dürkheim geschah im Jahre 1938. Am Eingang der Realschule in der Mannheimer Straße war ein Schild mit der Aufschrift „Bärmannsche Realschule“. Diese Bildungsanstalt war im Jahre 1875 von dem jüdischen Reallehrer Simon BÄRMANN gegründet worden. Ein Dürkheimer Stadtratsmitglied nahm nunmehr daran Anstoß an diesem Schild, das daraufhin entfernt wurde[8]. Am Kriemhildenstuhl hatte die Bad Dürkheimer Ortsgruppe des Pfälzerwald-Vereins in den 20er Jahren ein Denkmal für die im 1. Weltkrieg gefallenen Mitglieder des Verreíns errichtet. Das Denkmal ist in den Felsen eingehauen und enthält die Namen der Gefallenen, darunter befanden sich auch die Namen von drei jüdischen Soldaten, die Mitglieder des Vereins waren. Diese drei Namen wurden auf Anordunungj der Nazis weggemeißelt. Nachdem sich Rechtsanwalt Dr. MAYER | für die Wiederanbringung der Namen eingesetzt hatte und ich die Namen aus alten Unterlagen feststellen konnte, wurden dieselben. im Jahr 1986 auf Veranlassung von Bürgermeister KALBFUB wieder angebracht, der erklärte, die Stadt habe dort „ein kleines Stück Wiedergutmachung“ leisten wollen[9]. Nun zu den Ereignissen in Bad Dürkheim im November I938, der sog. "KristalInacht". Nach Paul SETHE[10] hatte die NS-Regierung Juden polnischer Staatsangehörigkeit ausgewiesen. Der Sohn eines von ihnen mit Namen Grynspan beschloß in einem Anfall verzweifelier Wut, den deutschen Botschafter in Paris zu ermorden. Er traf aber mir seinem Schüssen nicht diesen. sondern den Legationsrat E. vom RAT. Das war für die NationaIsozialisten der ersehnte Anlaß, dem Haß gegen die Juden freien Lauf zu lassen. Und so wurden die Juden auch in Bad Dürkheim nicht verschont. Zunächst wurden alle Juden, Männer und Frauen, in sog. „Schutzhaft“ genommen. ln einem Hintergebäude des Stadthauses in der Mannheimer Straße wurden sie eingesperrt. Die Unterbringung war katastrophal, insbesondere, was die sanitären Verhältnisse betraf. Auch konnten sich die meisten der lnhaftierten noch nicht einmal hinsetzen. Am Abend wurde die Aktion abgeblasen, und man hat sie wieder freigelassen. Über die weiteren Ereignisse nun folgender Bericht über das,
was sich in meinem Elternhaus zugetragen hat[11]: In dem Haus meiner Eltern,
Weinstraße-Nord 5, wohnte im 2. Stock in Miete ein jüdische
Familie, Hugo KAHN und Frau, zwei ältere Leute, ohne Kinder, die
nie jemand etwas zu Leid getan hatten. Er war Weinkommissionär, von
Leistadt gebürtig. ln der Herbstzeit war er meist in Leistadt, wo
er die Winzer kannte und seine eingeschäfte machte. Es war am 10.
oder 11. November, aber nicht während der Nacht, sondern am hellichten
Tag. Sechs SS-Männer von auswärts, wir kannten sie deshalb nicht,
stürmten unter Führung eines Dürkheimer SS-Mannes, der
die Wohnung der jüdischen Eheleute kannte, hinauf in die Wohnung
KAHN. Sie wollten schon bei uns anfangen, aber mein Vater hörte,
wie der Dürkheimer sagte: Do net, do net. Wir, meine Eltern und Geschwister,
waren unten in unserer Küche. Gleich hörten wir das Krachen
von zersplittertem Glas und Porzellan und die .Angstschreie der Frau KANN.
Man hörte, wie Möbelstücke umgeworfen wurden, es war ein
Krach und Getöise, daß man befürchten mußte, die
Zimmerdecke würde herunterbrechen. Der Dürkheimer SS-Mann, der
den anderen Die Familie KAHN kam später mit den anderen noch hier verbliebenen, meist älteren Juden - wie damals die | gesamten pfälzischen und badischen Juden - in das Lager Gurs in Südfrankreich. Der Mann ist umgekommen, ob noch in Gurs oder in Polen, entzieht sich meiner Kenntnis. Seine Frau hat überlebt und soll noch einige Jahre nach dem Krieg in Toulouse gelebt haben. So wie bei uns trieben die nationalsozialistischen Horden ihr Zerstörungswerk auch in den anderen jüdischen Häusern unserer Stadt. Auch die Synagoge wurde demoliert und angesteckt, aber man löschte den Brand schnell, da die Gefahr bestand, daß wegen der engen Bauweise die umliegenden Häuser in Gefahr kommen könnten. Die Bomben am I8. März 1945 gaben dann dem Gotteshaus den Rest. Den Leíchenwagen, auf dem die Juden ihre Toten zum Friedhof in Wachenheim fuhren, verbrannten sie auf dem Obermarkt. Ein weiterer, ganz böser Vorfall, ist mir von Erzählungen Dürkheimer Bürger bekannt geworden". In der Weinstraße-Nord 38 befand sich eine jüdische Metzgerei von Ferdinand SCHEUER. lhr Besitzer, der sich nicht einfach alles gefallen ließ, wurde fürchterlich zusammengeschlagen: Sie wollten ihn in jämmerlichen Zustand beim Amtsgerichtsgefängnis (im Volksmund damals „Café Kroneberger“, so hieß der Gefängnisverwalter) abliefern. KRONEBERGER soll, als er den blutenden Mann sah, die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen und gesagt haben: Der Mann gehört nicht hierher, der Mann gehört ins Krankenhaus. Es soll dann später wegen dieser Sache in Zweibrücken einen Prozeß gegeben haben, der aber ziemlich im Sande verlaufen sein soll. Der Familie SCHEUER gelang noch die Ausreise (oder Flucht?) nach Luxemburg. Als die deutsche Wehrmacht 1940 dort einmarschierte, nahm sich SCHEUER das Leben. Die Tochter Sidi lebt heute noch in Luxemburg. Von Erzählungen Dürkheimer Bürger ist mir auch bekannt, wie sie damals in der Wohnung des damals hochbetagten ehemaligen Reallehrers Ludwig STRAUB gehaustuhaben. Er wohnte in der Hinterbergerstraße, da wo gegeüber die Schlachthausstraße einmündet. Auch hier demolierten die Nationalsozialistischen Rollkomandos die Wohnung, einen wertvollen Konzertfügel - dem begeisterten Musiker STRAUß sein Ein und Alles - warfen sie vom 2. Stockwerk hinunter auf die Straße. In einer Schüssel befanden sich eine Anzahl Eier. Jedes Ei feuerten sie an die Zimmerwände. Man kann sich lebhaft vorstellen, wie die Wohnung nachher ausgesehen hat. Das Lager Gurs in Südfrankreich haben wir bereits erwähnt. Eine Bad Dürkheimerin, Frau OSWALD geb. Krieger kam anläßlich einer Urlaubsreise auch nach Gurs. Sie erzählte mir, daß die Lagerbaracken nicht mehr bestünden, aber auf dem dortigen Friedhof habe sie den Grabstein des in Gurs verstorbenen Bad Dürkheimer Weinkommissionärs Eugen WOLF, entdeckt. lm Ehrenbuch[13] der Stadt Bad Dürkheim für die Gefallenen und Vermißten beider Weltkriege sind auch die Namen der durch den Nationalsozialismus ums Leben gekommenen jüdischen Mitbürger enthalten. Es sind 30 Namen, zu`denen noch der eben genannte Eugen WOLF hinzukommt. Nachstehend die Liste dieser Namen (die beigesetzte Jahreszahl bedeutet jeweils das Geburtsjahr): |
Beer Jacob, 1890 Ehre ihrem Andenken! In einer kleinen Feierstunde wurde am 1. September 1989, dem 50. Jahrestag
des Beginns des 2. Weltkriegs, Die Inschrift der Gedenktafel lautet: Quelle: PFÄLZER HEIMAT 41/1990, Nr.1, S.25-27 Links "Menschen
unter Gejohle aus dem Haus gezerrt", von Heinz Kronauer |
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