Stolpern mit dem Kopf und mit dem Herzen

Steine des Künstlers Gunter Demnig erinnern an Opfer des Naziterrors
Bisher 30 Paten in Landau


Stolpersteine der Familie Siegel in der Ostbahnstraße in Landau

„Es geht darum, Namen dorthin zurückzubringen, wo die Menschen ihre Heimat hatten und nicht nur eine Nummer waren wie im KZ." Gunter Demnig, Jahrgang 1947, zieht seit zehn Jahren als „Pflasterer" durch Deutschland und setzt „Stolpersteine" zur Erinnerung an die Opfer der Nationalsozialisten. Der Künstler aus Köln war am Donnerstagabend zu Gast im Frank-Loebschen Haus und stellte eine erste Verlegung in Landau für dieses Jahr in Aussicht.

Für den gebürtigen Berliner ist diese Arbeit wider das Vergessen zur Lebensaufgabe geworden. Sein Terminkalender ist prall gefüllt. Bereits für 2010 gibt es Vereinbarungen mit Kommunen. Wenn Demnig Zahlen und Fakten nennt, wirkt er, als könne er auch nach all den Jahren kaum fassen, welch große Resonanz er mit seinem Kunstprojekt gefunden hat. Es sind über 14.000 Steine in 297 Ortschaften. Klingenmünster, Neustadt, Dahn, Kusel, Ludwigshafen zählen dazu.

Inzwischen setzt Demnig die zehn mal zehn Zentimeter großen Betonsteine, die auf einer Messingplatte Namen und Daten von Opfern der Nazigewaltherrschaft tragen - Buchstabe für Buchstabe von Hand eingehämmert -, auch in anderen Ländern Europas: Frankreich, Österreich, Holland, Ungarn. Für jeden Namen einen Stein. „Ein Mensch ist erst dann vergessen, wenn sein Name vergessen ist" - der Leitspruch des 60-Jährigen.

Die Steine verlegt er vor den Häusern im Gehsteig, in denen Menschen wohnten, die dem Terror schutzlos ausgesetzt waren, vertrieben wurden, deportiert, ermordet. Finanziert wird die Aktion über Patenschaften - jeder Stein kostet 95 Euro. Geschenke der Bürger an die Kommune, so definiert es Demnig.

In Landau wären 547 Patenschaften möglich, sagte Oberbürgermeister Hans-Dieter Schlimmer am Donnerstag vor den rund 30 Zuhörern. So viele jüdische Mitbürger lebten zur Zeit der Machtergreifung der NSDAP am 30. Januar 1933 in Landau. Dr. Michael Martin und Christine Kohl-Langer vom Stadtarchiv können auf einen großen Grundstock erforschter Biografien verweisen. Und immer wieder kommen neue Informationen hinzu. Kohl-Langer ist die Koordinatorin der Aktion, die der Stadtrat vor drei Jahren auf Anregung der SPD-Fraktion beschlossen hat.

30 Paten sind bereits notiert. Wenn die ersten Steine verlegt seien, kämen schnell weitere Paten hinzu, berichtet Demnig aus seiner Erfahrung. Die Zusammenarbeit mit den Behörden funktioniere inzwischen reibungslos. Die städtische Genehmigung für die ersten Steine in Köln habe damals drei Jahre gedauert. Ralf Bernhard vom Stadtbauamt sicherte dem Künstler Unterstützung bei den Verlegearbeiten zu. Das mit den Kosten „kriegen wir irgendwie schon hin", sagte er.

Die Steine werden ebenerdig in den Bürgersteig eingelassen. Stolpern sollen die Passanten nur im Geiste. „Man stolpert mit dem Kopf und mit dem Herzen", zitiert der Künstler einen Schüler. Die Idee ist umstritten, auch in jüdischen Kreisen. Für die Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, ist es unerträglich, dass die Opfer - symbolisch - erneut getreten werden. Sie stehe alleine da, entgegnet Demnig. Wer den Namen lesen wolle, müsse sich verbeugen und blicke dann auf den Eingang des letzten freiwillig gewählten Wohnsitzes des Opfers. Ausdrücklich nennt Demnig auch Roma und Sinti, politisch Verfolgte oder Homosexuelle. Niemand werde gegen den Willen der Angehörigen benannt.

Stolpersteine taugen auch zur Trauerarbeit, hat der Wahlkölner erfahren. Wenn Angehörige der Opfer zur Verlegung dazu kommen, in einem Fall gar aus Neuseeland. Demnig hat zwei Schwestern erlebt, die sich vor den Steinen für ihre Eltern nach 60 Jahren erstmals wiedersahen. „Es sind traurige, aber auch sehr schöne Geschichten", erzählt er.

Wünschenswert wäre die Gründung einer Initiative, hieß es am Donnerstag. Die Beschriftung der Steine, höchstens neun Zeilen, stimmt Demnig mit Paten und Koordinatorin ab. Die Stadtarchivare beraten bei der Suche nach Namen, sollten Interessenten keine konkreten Vorstellungen haben. (sas)


Info: Koordination Christine Kohl-Langer, Stadtarchiv, Telefon 06341 13-157 bzw. www.stolpersteine.com

Text: Rheinpfalz in ihrer Ausgabe vom 12. Januar 2007, zit. nach www.aar-spd.de/
Bild: Stefan Meißner

Weiterführende Links
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