Herxheims Synagoge und ihre Zerstörung

Vortrag vom 9.11.08 in Herxheim bei Landau

von Andreas Imhoff

Ein Menschenalter ist es nun her, dass die Herxheimer Synagoge zunächst verwüstet, dann abgebrochen und schließlich dem Erdboden gleich gemacht wurde. Heute erinnert fast nichts mehr an dieses jüdische Kultgebäude. Ein Ornamentstein (Bild oben), ein Foto, ein silberner Thorazeiger, ein Paar Kristalle des Kronleuchters... Das ist alles, was vom jüdischen Gotteshaus an der Oberen Hauptstraße übrig geblieben ist. Aber auch die Zahl der Herxheimerinnen und Herxheimer, die die Synagoge noch gekannt haben, ist im Schwinden begriffen. Die noch lebenden Zeitzeugen waren damals Kinder und Jugendliche und sind heute betagt. Die Zerstörung der Herxheimer Synagoge ist deshalb im Begriff, ein geschichtliches Ereignis zu werden, eine weit zurückliegende Begebenheit, die immer mehr an Konturen und Schärfe verliert. Um so wichtiger ist es, dass wir die Erinnerung an den Ungeist, der auch in Herxheim geherrscht hat, wach halten. Erlauben Sie mir deshalb einige Sätze zu Herxheims Synagoge und ihre Zerstörung.

Die Synagoge, die hier bis 1938 stand, war die dritte auf Herxheimer Boden. Schon Ende des 18. Jahrhunderts wird in den Quellen eine jüdische Betstube in der Holzgasse erwähnt. Ab 1797 diente dann ein kleines Haus in der heutigen Judengasse der jüdischen Gemeinde als Synagoge. Bis zum Jahr 1840 war die Zahl der jüdischen Bewohner in Herxheim auf rund 180 angewachsen und damit so groß, dass über den Bau einer neuen Synagoge nachgedacht werden musste.
Im Jahr 1842 war es dann so weit. Durch private Spenden, ein staatliches Darlehen und eine Kollekte war genügend Geld zusammen gekommen. Mit dem Bau der Synagoge konnte begonnen werden. Als Bauplatz hatte man ein 15 Meter breites und 80 Meter tiefes Grundstück an der Hauptstraße ausgewählt. Ein jüdischer Händler hatte den Platz zur Verfügung gestellt. Mit der Planung wurde Zivilbauinspektor August Voit beauftragt, „um gegen die Verunstaltung der Straße durch ein unförmliches Gebäude sicher gestellt zu sein.“

August Voit plante ein Gebäudeensemble. Direkt an der Straße erbaute er ein kleines Schulgebäude und ein Wohnhaus für den jüdischen Lehrer. Beide Gebäude waren 4 Meter voneinander entfernt. Jahrzehnte später wurden diese zwei Häuser überbaut, so dass ein Gebäude mit einer 4 Meter breiten Durchfahrt entstand. Wenn man diesen Durchgang passierte, gelangte man dann im hinteren Teil des Grundstücks zur neuen Herxheimer Synagoge.

Die Synagoge umfasste einen etwa 15 x 10 Meter großen Hauptraum mit einem 8 x 2,5 Meter großen Vorbau. Die große Eingangstür, darüber das Halbrund auf Säulen, erinnerte an den maurisch-byzantinischen Baustil. Die bedeutendste pfälzische Synagoge in diesem Stil stand damals in Ingenheim. In Herxheim diente der Vorraum dem rituellen Händewaschen und beherbergte einen Treppenaufgang zur Empore der Frauen. Den Männern stand der Hauptraum zu, mit Vorlesepult, Kanzel und der Bundeslade mit ihren Thorarollen in kunstvollen Hüllen, hinter Vorhängen verborgen. Ein schwerer Kronleuchter sorgte für Licht.

1842, als die Synagoge fertiggestellt war, hatte die jüdische Gemeinde ihren zahlenmäßigen Höhepunkt erreicht. In den folgenden Jahrzehnten zogen viele Herxheimer Juden in größere Städte oder wanderten nach Amerika aus. 1938 lebten nur noch wenige jüdische Familien im Dorf. Ich möchte sie kurz nennen.

Da war zum einen die Familie Hugo und Alisa Haas. Hugo Haas hatte in der Augustastraße eine kleine Zigarrenfabrik. Dann die Familie Josef Anschel mit dessen arischer Frau und Protestantin Luise und den zwei Töchtern Esther und Helga. Die Familie Anschel wohnte zur Miete im Haus der Familie Mohn. Das ist heute das Thai-Restaurant neben dem Rathaus. Josef Anschel hatte das gegenüberliegende Haus gepachtet und verkaufte dort Schuhe und Lederwaren. Des weiteren lebte die jüdische Familie Paul und Anna Margaretha Engel im Ort. Mit den Söhnen Wilhelm und Herbert wohnten die Engels rechts vom „Bayrischen Hof“. Zusammen mit seinem Vater Benedikt hatte Paul Engel eine Weberei in Herxheim geleitet. In der kleinen jüdischen Gemeinde hatte Benedikt lange Jahre lang die Stelle eines Rabbiners inne. Nun, 1938, war er ein alter Mann, um den sich seine unverheira-tete Tochter Elisa kümmerte. Noch einen jüdischen Mitbürger möchte ich erwähnen: Gustav Rosenthal. Er war in der Weberei des Benedikt Engel beschäftigt gewesen. 1938 war er Witwer und wohnte im Obergeschoss des bereits erwähnten überbauten Wohnhauses, vor der Synagoge, am Rande der Oberen Hauptstraße. Nur wenige Wochen vor der Reichspogromnacht war seine Tochter Johanna nach Amerika ausgewandert. Als Joanne Barson hat sie im Jahr 2003 ihr Heimatdorf wieder besucht.

Kommen wir nun zu den Ereignissen in Herxheim und ihren Hintergründen. In der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 brannten in ganz Deutschland jüdische Synagogen. Angehörige von SA und SS zertrümmerten die Schaufenster jüdischer Geschäfte, demolierten die Wohnungen jüdischer Bürger und misshandelten ihre Bewohner. In Folge der Ausschreitungen starben mehr als 1300 Menschen. Über die Hälfte aller Synagogen oder Gebetshäuser in Deutschland und Österreich wurden stark beschädigt oder ganz zerstört.

Weisung zu dem Pogrom war von der Führung der NSDAP gekommen. Als Vorwand diente den Nationalsozialisten die Ermordung eines Diplomaten in der deutschen Botschaft in Paris durch den erst 17-jährigen Herschel Grynszpan. Er wollte so auf die Abschiebung von 17.000 polnischen Juden, zu denen auch seine Eltern zählten, aufmerksam machen. Von den Nazis wurde der organisierte Terror, der dann folgte, als „Volkszorn“ deklariert, als „berechtigte und verständliche Empörung des deutschen Volkes“. In Wirklichkeit waren die Aktionen ein erster Höherpunkt eines staatlichen Antisemitismus, der mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begonnen hatte.

Über die Zerstörung der Herxheimer Synagoge gibt es insgesamt 11 Zeugenaussagen. Sie wurden nach dem Krieg aufgenommen, als man die Täter vor der Strafkammer in Landau zur Rechenschaft zog. Egon Ehmer hat die Aussagen vor vier Jahren in einer Artikelserie im „Mitteilungsblatt“ zusammengestellt. Daraus lässt sich der folgende Ablauf rekonstruieren:

In der Nacht vom 9. auf den 10. November hat ein gebürtiger Herxheimer, der mittlerweile in Landau wohnte, die Zerstörung der großen Landauer Synagoge miterlebt. Der 26-Jährige arbeitete in der Zigar-renfabrik seiner Eltern in der Augustastraße und war seit 1935 Mit-glied der SS. Am Morgen des 10. Novembers fuhr er in Begleitung von drei Bekannten mit dem Auto nach Herxheim, aber nicht, um dort zu arbeiten. Mit einer Axt und Eisenstange bewaffnet, drangen die vier in die Synagoge ein und zertrümmerten die Inneneinrichtung. Anschließend warfen sie die umherliegenden Holztrümmer vor dem Altar auf einen Haufen und versuchten Feuer zu legen. Doch das mißlang. Die vier Täter zogen ab, um, wie sie sagten, andernorts ein „Signal“ zu setzen.

In der Zwischenzeit hatten sich vor der Synagoge 30-40 Personen versammelt. Die meisten von ihnen waren Schulkinder. Aber auch einige Herxheimer Männer hatten sich eingefunden und das Zerstörungswerk in der Synagoge fortgeführt. Einer von ihnen hatte einen vollen Benzinkanister mitgebracht, um die Synagoge nochmals, aber diesmal erfolgreich, in Brand zu setzen. Doch er wurde von Anwesenden an der Tat gehindert. Ob aus Angst vor einem Ausbreiten des Brandes oder aus moralischen Bedenken, wissen wir nicht.

Ihrer völligen Zerstörung konnte die Herxheimer Synagoge dennoch nicht entgehen. Bürgermeister Knecht ordnete den Abriss der Ruine an. Der Platz, wo sie gestanden hatte, wurde eingeebnet und das Areal an die Gemeinde verkauft. Die Geschichte der Herxheimer Synagoge war damit zu Ende. Wenig später sollten ihr Herxheims Juden in den Untergang folgen.

Foto: http://www.herxheim-pfalz.de/ (mit freundl. Genehmigung der Verbandsgemeindeverwaltung)

Lesenwert! - Moshe Zimmermanns "Deutsch gegen Deutsche"

"Schade, dass das Buch nicht einige Monate früher erschienen ist; es hätte so manche gedankenlose Gedenkrede zum 70. Jahrestag der 'Reichskristallnacht' vor erstarrtem Ritualismus bewahren können. Der Titel ist Programm: er macht eine verdrängte Wahrheit bewusst; denn die deutschen Juden waren und blieben Deutsche."
So urteilt Dr. Hans Maaß, ausgewiesener Kenner der Geschichte des Judentums, in seiner Besprechung eines Buches, das durchaus zu einem Standardwerk werden könnte.
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