von Stefan Meißner
Literatur
Ahasver von Brandt:
Werkzeug des Historikers: Eine Einführung in die Historischen Hilfswissenschaften
Die Quellenlage für eine Geschichte Israels ist ab der Staatsgründung (um 1000) gut, die Früh- u. Vorgeschichte liegt dagegen weitgehend im Dunkeln. Schaut man auf die Endredaktion der biblischen Texte, so erweist sich das Babylonische Exil als eine besonders kreative Epoche. Ein Großteil der alttestamentlichen Geschichtswerke erhält ihre entscheidende Prägung im Exil oder kurz danach.
3.1.1 Schriftliche und nichtschriftliche Quellen
Die Historiker unterscheiden zwischen schriftlichen bzw. literarischen und nichtschriftlichen
Quellen. Zur ersteren Gruppe gehören die Bibel, aber auch andere altorientalische
Texte (Amarna-Archiv; Keilschrifttexte aus Mari u. Nuzi; Werke des jüd.
Historikers Flavius Josephus). Nichtschriftlichen Charakter haben meist die
Funde der Archäologen.
3.1.2 Unmittelbare und mittelbare Quellen
Eine weitere Unterscheidung ist die zwischen unmittelbaren und mittelbaren Quellen.
Unmittelbar nennt man Quellen, die explizit über das fragliche Ereignis
berichten, mittelbar sind solche, aus denen man indirekt Rückschlüsse
darauf ziehen kann. Oft sind die mittelbaren Quellen, die uns bestimmte Informationen
eher en passant preisgeben, neutralere Zeugnisse als die unmittelbaren Quellen,
die oft ein bestimmtes Bild der Ereignisse vermitteln wollen.
3.1.3 Überreste und Traditionen
Mit dieser Unterscheidung verwandt, aber nicht identisch, ist die Einteilung
der Quellen in Überreste und Traditionen. Quellen, die zum Zwecke der zukünftigen
Erinnerung entstanden sind, sind Traditionen. Handelt es sich um absichtslose
Bezeugungen der Vergangenheit, spricht man von Überresten.
3.1.4 Biblische und außerbiblische Quellen
Oft wird auch zwischen biblischen und außerbiblischen Quellen getrennt.
Dabei ist aber zu beachten, dass für die Rekonstruktion von Geschichte
beide Gruppen prinzipiell die gleiche Autorität besitzen. Beispiele für
außerbiblische Quellen wären Flavius Josephus: Jüdische Altertümer,
Ps.-Philo: Liber Antiquitatem Biblicarum und das Jubiläenbuch.
Nicht jede Quelle ist gleich vertrauenswürdig bzw. relevant für die Rekonstruktion von Geschichte. Die Beurteilung einer Quelle sollte anhand bestimmter Kriterien erfolgen, von denen hier einige vorgeschlagen werden:
3.2.1 Kriterium der Echtheit
Bei manchen Quellen handelt es sich um bewusste Fälschungen. Ein wirkungsgeschichtlich
bedeutsames Beispiel hierfür wären die
„Protokolle der Weisen vom Zion“, eine antisemitische Hetzschrift
aus dem zaristischen Russland, die sich als authentisches Zeugnis einer angeblichen
jüdischen Weltverschwörung ausgibt. Im Alten Orient sind Fälschungen
freilich eher selten.
3.2.2 Kriterium der mehrfachen Bezeugung
Ereignisse, die durch mehrere voneinander unabhängige Quellen bezeugt sind,
gelten als zuverlässiger als solche, für die nur eine Quelle spricht.
Allerdings kann es nicht nur um die Quantität gehen, auch qualitative Gesichtspunkte
müssen beachtet werden.
3.2.3 Kriterium der Provenienz (= „Herkunft“)
Hier spielt die zeitliche und räumliche Nähe zu den berichteten Ereignissen
eine Rolle. Auch die Qualität der „Kanäle“ wird in Anschlag
gebracht. Man fragt in jedem Fall: Wie zuverlässig ist der Weg der Überlieferung?
3.2.4 Kriterium des erkenntnisleitenden Interesses
Viele Quellen besitzen einen tendenziös-propagandistischen Charakter. Geschichtsschreibung
erschöpft sich deshalb nie in der einfachen Paraphrase der biblischen Texte,
sondern muss diese kritisch auf ihre Tendenz hin befragen. So ist bekannt, dass
Hofschreiber häufig die Vita der sie beauftragenden Regenten beschönigten.
Als Faustregel gilt: Wahrscheinlich ist, was der Intention des Autors zuwider
läuft (z.B. der ägyptische Name des Mose).